Donnerstag, 29. Juli 2010

Der Letzte macht das Licht aus.

Es ist Samstag der siebzehnte Juli. Erschöpft, übermüdet und stinkend erreiche ich gegen neun Uhr morgens den Frankfurter Hauptbahnhof. Eine der ersten Taten die ich in meinem Heimatland verbringen will ist der Kauf einer Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Ein gutbesuchter Zeitungsladen hat einige Exemplare dieser Zeitung ausliegen und wird von mir nun auch frequentiert. Ich stelle mich an die Schlange um zu bezahlen. Nachdem mein Vorgänger nach langem Suchen seine Münzen für die „Frankfurter Rundschau“ zusammen hat, bin ich an der Reihe. Ich stelle mich vor die Kasse und warte. Ich reiche der Verkäuferin die Zeitung und warte immer noch. Sie schaut nicht glücklich aus. Ihre Mundwinkel haben wahrscheinlich am heutigen Tag selten die horizontale Position verlassen. Trotz der noch frühen Uhrzeit sieht sie gestresst aus, ein wenig Schweiß läuft von ihrer leicht pigmentierten Stirn. Ich warte immer noch. Sie scannt die Zeitung ein und ich warte einfach immer noch auf ein freundliches „How are you?“, ein „What a nice day.“ oder ein „How are things today?“. Aber es kommt nichts. Einzig nachdem Einscannen öffnet sie ihren Mund: „Zwei Zwanzig!“

Ich begrüße euch zur letzten Ausgabe von „Vom anderen Ende der Welt.“ Wobei ich mich nun schon seit elf Tagen wieder auf deutschem Boden, aber immer noch nicht zu Hause befinde. Zu schwer fiel mir der Abschied aus Neuseeland, als dass ich mich ohne weiteres in den deutschen Alltag zurück gewöhnen kann. Ein letztes Mal schreibe ich euch heute nun, zum fünfundzwanzigsten Mal übrigens, zum Abschied ein runder Geburtstag, schöner könnte es doch kaum sein. Dann wollen wir mal loslegen mit dem Danksagungs- Marathon. Startschuss.

Am Ende meines letzten Blogs war ich gerade beim Verabschieden meiner Behinderten. Nach meinem ziemlich emotionalen Farewell- Dinner stand der endgültige Abschied am Dienstagmorgen an. Auch wenn meine ehemaligen Mitbewohner diese Zeilen niemals zu lesen bekommen möchte ich mich bei jedem einzelnen noch einmal für alles bedanken.

Thank you Ron.

Thank you Roy.

Thank you Agnes.

Thank you Rachael.

Thank you Cathy.

Thank you No5.

Am Dienstag ging es dann mit den anderen vier Freiwilligen zu einem Abschlusscamp meines Komitees in Neuseeland. Die einzige Erkenntnis dieses Camp war, das das neuseeländische Komitee eine Neudefinierung von erbärmlicher Organisation geschaffen hat und wir alle froh waren als es nach drei Tagen ein Ende gab. Zwei Tage später kam der Tag den ich so gern für unbestimmte Zeit nach hinten verschoben hätte. Mein Abschied aus Neuseeland. Ich bin ich euch ja noch die Auflösung mein kleines Gewichträtsels über die Schwere meiner Tasche schuldig. Es waren dann doch sage und schreibe einunddreißig Kilo. Ich musste dann am Flughafen noch sechs Kilo verlieren und in einem kleinen Wutanfall habe ich das mit dem Hinausschmeißen von Handtüchern, einer Hose und der Weitergabe meiner Bücher an meine Chefin auch geschafft. Dann hieß es: Bye Bye New Zealand. Oh Neuseeland, was habe ich dich geliebt für deine einzigartigen Landschaften, deine freundlichen Einwohner, deine frischen und saftigen Kiwis und vieles anderes mehr. Oh Neuseeland, was habe ich dich gehasst für dein Tempolimit von einhundert Stundenkilometer, für die ständigen Bauarbeiten auf Highways und dein grauenhaftes Essen. Oh Neuseeland, wie ich dich jetzt schon vermisse, aber keine Angst ich komme wieder, alle zehn Jahre, mindestens.

So war Neuseeland am siebzehnten Juli um zwölf Uhr einunddreißig für mich Geschichte. Der Flug soll diesmal nun wirklich keinerlei Erwähnung auf dieser Seite finden und wurde ohne Beinbrüche gut überstanden. An meinem letzten Neuseeland Tag hatte es nach fünf Tagen Sonne wieder angefangen zu regnen und als wir aus unserem Flugzeug wieder deutsche Felder, deutsche Ortschaften und deutsche Autobahnen zu Gesicht bekamen setzte ebenfalls leichter Regen ein. Somit wurde ich also nicht gleich von Dr. Hitze erschlagen, was durchaus angenehm war. Vom Frankfurter Flughafen ging es direkt zum Hauptbahnhof, in welchem sich die eingangs beschriebene Szenerie abspielte. Es war schon sehr merkwürdig wieder von meinen Landsleuten umzingelt zu sein. Von Männern mit Sandaletten und schwarzen Socken an den Füßen, von Frauen, deren Blumenmotiv Rock auch aus einer Gardine herausgeschnitten sein könnte. Überall Menschen, die eher missmutig in Tag drein schauen und wohl gerade aus ihrem Keller kommen. Zum Glück sind ja nicht alle so.

In Frankfurt wurde ich mittags von Julian abgeholt. Julian ist ein Fan der Frankfurter Eintracht und als ich ihn in Neuseeland auf meiner Reisezeit kennen gelernt habe, war natürlich klar was Gesprächsthema Nummer eins unserer Unterhaltungen war. Jedenfalls konnte ich bei Julian übernachten und er hat mich noch ein bisschen durch Frankfurt geführt. Dabei konnte ich feststellen, dass Frankfurt gar nicht mal so hässlich ist. Nicht so hässlich zumindest wie die Person auf dem folgenden Bild:

Vom höchsten Punkt der Welt.

Am nächsten Tag sind Julian und ich noch in die Kunstausstellung von Ernst Ludwig Kirchner im Städel- Museum, kann ich nur empfehlen, und anschließend fuhr er mich noch nach Neu- Anspach, einem kleinem Örtchen, in welchem ich die folgenden fünf Tage verbringen sollte. Als letzte Hürde meines freiwilligen sozialen Jahres im Ausland galt es unser Abschlussseminar zu überspringen. Meine Vorfreude hielt sich darauf anfangs stark in Grenzen, es war aber dann doch recht gut sich mit anderen Freiwilligen, die ja teilweise in Indien, Taiwan oder Uganda waren, auszutauschen und meine sehr intensive Erkältung etwas auszukurieren. Fürs Leben weitergebracht haben mich die vierundsechzig Skatspiele die ich mit meinen „alten“ Mt. Tabor- Kollegen gespielt habe und die Information, dass Paul der Oktopus in Indien als ein Heiliger angesehen wird. Die fünf Tage gingen relativ zügig um und vergangenen Donnerstag stand die Fahrt ins einmalige Eberswalde an. Dort wurde ich abends von meiner Familie erfreulicherweise in Empfang genommen und war froh, dass niemand den Satz „Na nun erzähl doch mal.“ von sich gegeben hat.

Am nächsten Tag musste ich feststellen, dass sich nicht wirklich viel in meiner Heimatstadt geändert hat. Es herrscht immer noch die gleiche Tristesse vor, bei Kaufland gibt es immer noch kein Guinness und die Ampelschaltphasen sind ebenfalls die gleichen und unsinnig. Auch von der deutschen Bürokratie wurde ich schon willkommen geheißen, wer hätte gedacht, dass es so schwierig ist sich arbeitslos zu melden? Der Weg zum Arbeitsamt und zurück, eine Fahrt von circa einundzwanzig Minuten, gestaltete sich zu einer meiner größten Herausforderungen. Ich habe für diese Strecke das Auto meiner Mutter bekommen. Zum ersten Mal seit einem Jahr bin ich wieder auf der rechten Seite gefahren und es war grauenhaft. Auf dem Weg zum Arbeitsamt und zurück habe ich das Auto viermal abgewürgt. Jedes Mal, wenn ich die Straßenseite gewechselt habe schaute ich mich entsetzt um, ob ich überhaupt auf der richtigen Seite bin. Die unzähligen Male bei denen ich den Scheibenwischer anstatt des Blinkers bedient habe oder beim Wechseln des Ganges auf einmal mit der linken Hand in der Tür war brauche ich an dieser Stelle gar nicht ausführlich zu beschreiben. Ich war einfach so erleichtert das Auto wieder unbeschädigt auf unserem Parkplatz abgestellt zu haben.

So kommen wir dann mal langsam zum Ende. „Lebbe“ geht ja nun bekanntlich „weida“ und so befinde ich mich derzeit auf dem Weg nach Baden- Württemberg, wo ich mich drei mögliche Uni- Orte anschauen möchte. Es hat mir unglaublich viel Spaß gemacht diesen Blog zu schreiben. Es tut mir leid, wenn ich euch manchmal mit Superlativen nur so überhäuft habe, wenn ein Eintrag mal kein Ende nehmen konnte oder wenn ihr von meinen Rechtschreibfehlern einfach nur brechen musstet. Nichtsdestotrotz geht mein erster Dank an euch, die Leser. Vielen Dank, dass ihr euch ab und zu mal auf diese Seite verirrt habt und das ein oder andere Mal wieder raufgefunden habt, Danke.

Mein zweiter Dank geht an meine Spender, die mit ihrer finanziellen Unterstützung dieses Jahr erst möglich gemacht haben, Danke.

Ein Dank geht ebenfalls an meine Mutter, die hervorragend auf mein „deutsches“ Leben aufgepasst hat, Danke.

Weiterhin möchte ich mich bei Jenna, Malte and Kosha für dieses tolle zweite Halbjahr bedanken, Danke.

Einen ganz besonderen Dank sende ich an Bob and Eric, ohne die beiden wäre Neuseeland nur halb so toll gewesen, Thank you.

Zum Schluss noch ein Danke an all die, die mich dann doch nicht vergessen haben und mir letzten Freitag ein so schönes Willkommen bereitet haben, Danke.

Ich schalte nun endgültig den Lichtschalter aus und rufe aus dem Dunkel ein letztes Mal:

Macht‘s gut!

Bis demnächst!!

Und nicht vergessen: Grüßt die Kiwis!!!

Euer Michi

Dienstag, 13. Juli 2010

Ich packe meinen Koffer und nehme mit …

… mein rechtes Bein, meinen linken Arm, einen Fallschirmsprung inklusive Landung, eine Wäscheklammer, ein vollkommen legal ergattertes „Guinness“- Glass, zwei Kontaktlinsen, möglicherweise fünfzehntausend Kilometer Vanfahrerfahrung, ein Buch mit dem Namen „A short history of New Zealand“, keinen Kiwi, sechsundzwanzig mit der neuseeländischen Zeichensprache zu zeichnende Buchstaben, zwei neuseeländische Flaggen, mindestens zehn Kilo Gepäck weniger, keines meiner beiden Kandinsky- Poster, fünftausendunddreihundertundneunzehn Bilder,… Oh, einen wunderschönen guten Abend, da habt ihr mich aber gerade mitten beim Packen erwischt. Aber ich mach jetzt mal eine Pause, hole mir ein Glass Wasser aus der Küche und setzte mich zu euch an den Computer. So, da simma wieder, mein Koffer ist jetzt schon fast komplett gefüllt und kommt gleich zum wiegen, dass wird wahrscheinlich eines der spannendsten Erlebnisse meines Jahres. Knackt er die dreiundzwanzig? Wenn ja um wie viel Kilogramm? Aber diese atemberaubenden Fragen werde ich wohl eher beim nächsten Mal beantworten. Vielmehr will ich euch in den nächsten Minuten von meinen zwei letzten Wochen am anderen Ende der Welt berichten, Wehmut? Eindeutig.

Mein letztes Lebenszeichen gab ich ja wieder von diesem Platz aus, aber die Handlung endete mit dem letzten Spiel der deutschen Nationalmannschaft. Irgendwie muss ich ja auch wieder zurückgekommen sein und überraschenderweise geschah dies auch. Der diesmal dreiundzwanzigstündige Flug soll hier eigentlich keine besondere Erwähnung finden, aber ein Erlebnis dröhnt mir schon seit Wochen im Gehirn und will da unbedingt raus. Also bekommst du deine wohlverdiente Freiheit, Erlebnis. Meine Flugzeit geriet in direkten Konflikt mit den Anstoßzeiten der WM- Spiele eines Donnerstages, dem Tag an dem Neuseeland Paraguay spielte. Ich habe für gefühlte drei Stunden das Entertainment- Programm der Fluggesellschaft durchforstet, nichts von Live- Berichterstattung oder sogar Nennung von Ergebnissen. Ich hätte das Ergebnis vielleicht über hongkongnesisches Radio erfahren können, aber meine Mandarin- Kenntnisse sind leider noch nicht ganz ausgereift. So blieb mir nur geduldig das Ende des Fluges abzuwarten und dann am Hongkonger Flughafen direkt in ein Internet- Café zu gehen. Daraus wurde jedoch überhaupt nichts. An Schlaf war in keinster Weise zu denken und ich bewegte mich die ganze Zeit unruhig auf meinem Sitz. Dann nach ungefähr drei Stunden und vierundzwanzig Minuten war meine Geduld gebrochen und ich sprach eine Stewardess an. Meine Frage, ob der Kapitän nicht die Ergebnisse der Fußballweltmeisterschaft übers Mikrofon bekannt geben könnte, hat sie anfangs sehr skeptisch beäugt, da sie mich aber doch nicht enttäuschen wollte, meinte sie, sie könne sich mal drum kümmern und kommt vielleicht später noch einmal vorbei. Da war ich erst einmal etwas gelöster. Nun ging das bange Warten los; schafft es meine zweite Heimat in die zweite Runde? Nach zwei Stunden Wartezeit und drei gefühlten Toilettengängen immer noch nichts von ihr zu sehen. Ich kann doch hier nicht der einzige sein, der sich für dieses verdammte Spiel interessiert. Und dann kam sie. Ich sah sie schon von weitem. Mit ihrem knielangen schwarzen Rock, farblich passender Strumpfhose und Schuhe, stolzierte sie den Gang entlang. Als Oberteil trug sie einen guten alten Angela- Merkel- Gedächtnis- Blazer, farblich zu dem Rock stimmig. Ihre Haare machten auf Ohrläppchenhöhe eine sehr dynamische Welle, sie besaß schon lange kein asiatisches Porzellangesicht mehr, wie ihre abgemagerten Kolleginnen, dafür eine dickumrandete Brille, die ein Alter um siebenundreißig vermuten ließ. Mit jedem ihrer Schritte stieg die Anspannung und im Endeffekt sind es ihre rot gefärbten Fingernägel, die ein Stück Papier mit nur fünf Wörtern und vier Zahl beschriftet, festhielten. Ohne jede Regung im Gesicht gab sie mir das Stück Papier. Beim Lesen von „Paraguay 0“ spürte ich für den Bruchteil einer Sekunde das Adrenalin in meinen Adern Tango tanzen. Meine Augen bewegten sich Millimeter nach rechts und hätte es wohl eher die Todesfuge aufsagen wollen; „New Zealand 0“. Für weitere Wallungen sorgte dann das andere Ergebnis; „Slovakia 3 Italy 2“. Das war es dann, Aus in der Vorrunde. Aber die Enttäuschung sog sich fast umgehend aus meinem Körper. Ich wäre am liebsten auf gestanden, hätte geklatscht und „You `ll never walk alone“ gesungen. Leider hätte wohl keiner mitgemacht, noch nicht mal die Stewardess.

Zu Hause angekommen konnte ich selbstverständlich ohne World Cup nicht weiter leben. Einen Tag später stand gleich der Klassiker Deutschland gegen England an. Der besaß dadurch noch Brisanz, da meine beste Neuseeland- Freundin eine Engländerin ist und wir eigentlich erst im Finale aufeinander treffen wollten. Das Spiel wurde mit Jenna und den zwei anderen deutschen Freiwilligen in einer Aucklander Bar um zwei Uhr morgens verfolgt, Fußball schauen in Neuseeland kann ganz schön schlaftötend sein. Es war nichtsdestotrotz ein einmaliges Erlebnis und es waren sogar ziemlich viele Deutsche in der Bar. Am Ende haben es alle Beteiligten überlebt und konnten ohne jegliche Kratzer im Gesicht die Bar verlassen. Eine Woche später waren wir zur gleichen Uhrzeit, am gleichen Ort. Nach dem Argentinien- Spiel lief Nenas „Neunundneunzig Luftballons“, mehr braucht man dazu nicht mehr sagen, die Kiwis waren von den Deutschen begeistert und tippten uns alle nun als Weltmeister. Da lagen ja nicht nur sie falsch. Der Donnerstagmorgen begann mit einer zu erwartenden Enttäuschung, denn Paul wusste es ja. Dieser verdammte Oktopus macht übrigens auch hier Schlagzeilen. Der erste Kommentar des Moderators nach dem WM- Finale heute Morgen: „Spain is World Champion and Paul the octopus has been right once again.” Wortlos. Wer ist nebenbei erwähnt die einzig ungeschlagene Mannschaft des WM- Turniers? Genau, richtig, Neuseeland. Dieser Fakt wurde heute selbstverständlich in jeder Nachrichtensendung dreiundzwanzig Mal wiederholt, good on ya mates.

So, genug mit Fußball. Langsam wurde es auch einfach Zeit, dass die WM ein Ende hat. Was haben wir noch? Rugby. Och, nicht schon wieder Sport. Doch, da müssen wir jetzt durch und dann wird es etwas trauriger, ich mach es kurz. Am Samstag habe ich mir wohl meinen letzten Neuseelandtraum erfüllt. Ich bin mit den anderen drei Freiwilligen, einen Behinderten und dessen Vater zum Rugby- Spiel Neuseeland gegen Südafrika. Besser kann es im Rugby eigentlich nicht gehen, Südafrika ist aktueller Weltmeister und Neuseeland richtet die WM nächstes Jahr im eigenen Land aus und der ein oder andere würde wohl auf dieses Finale tippen. Somit war dieses Spiel der abschließende Höhepunkt eines fantastischen Jahres, die Spitze des Eisberges, die Rosine im Apfelstrudel, die Nadel im Heuhaufen oder einfach the icing on the cake. Keine Angst, ich werde euch jetzt nicht mit einer Erläuterung dieses Sports vom möglicherweise nötigen Toilettengang aufhalten, da ich das Spiel selber noch nicht einmal verstanden hat. Während ich euch Cricket halbwegs in ein paar Sätzen erläutern konnte, würde ich für Rugby fünf Tage benötigen und dann verpass ich wohlmöglich meinen Flieger. Ich bin nicht zum Rugby- Fan geworden, es ist einfach zu viel Gerangel, Geschubse und Gegrunze. Trotz alledem, Neuseeland won mit zweiundreißig zu zwölf und das war schon in der Deutlichkeit etwas überraschend. Bild:

All Blacks vs. Springbocks

Zu viele Abschiede

Das blöde an einem Jahr ist, dass es doch tatsächlich irgendwann rum ist und so befinde ich mich nun in den letzten Atemzügen meines Freiwilligen sozialen Jahres in Neuseeland. Viel schlimmer als das Vorrübergehen von dreihundertfünfundsechzig Tagen in einem Land ist, dass man in diesem Land Menschen kennen gelernt, die man doch nicht so einfach gehen lassen kann und das fällt besonders schwer. Ihr habt es erfasst, es herrscht die Zeit des Abschied Nehmens und dann fangen wir doch mal an.

Na wer war als erster dran? Richtig, mein Bongo. Vor mittlerweile auch schon wieder zwei Wochen sagte mein treues Fortbewegungsmittel auf vier Rädern „Good bye“ zu mir. Schon vor meinem Betriebsausflug nach Südafrika versuchte ich meinen Van auf dem neuseeländischen ebay zu verkaufen. Leider hielt sich der Erfolg in Grenzen und so war ich doch schon ein bisschen besorgt. Am neunundzwanzigsten Juni zweitausendundzehn kamen jedoch ein Ehepaar und die Mutter des Mannes für einen Besuch vorbei. Erst sah sich der Man den Wagen kurz an und meinte er würde gerne einmal damit fahren, dann sind wir mit seiner Mutter um den Blog und plötzlich meinte die Mutter wie viel ich denn für den Van haben möchte. Wir haben uns dann bei 1.800 NZ$ geeinigt. Ohne ihren Sohn zu fragen hat sie diesen Deal dann handfest gemacht und mir gleich das Geld in die Hand gedrückt. Da war ich natürlich etwas baff, weil ich nun so plötzlich Abschied von meinem Bongo nehmen musste. Es gab keine Abschiedsrede, keine letzte Fahrt und auch keine Träne. Dafür aber ein Foto:

Thank you for everything, Bongo.

Heute wurde dann ein weiteres Mal Abschied genommen. Extra für uns Freiwillige hat Mount Tabor eine Farewell- Party organisiert, das hatte es wohl vorher auch nicht gegeben. Leider war es eine typische Mt. Tabor- Veranstaltung. Als ein paar Leute etwas sagen wollten, waren alle schon dabei sich gegenseitig aufzuessen sosehr wollten sie zum Lunch- Büfett. Wir haben Mt Tabor auch ein kleines Abschiedsgeschenk gemacht, zu sehen gibt es dieses als letztes Bild dann.

Auch wenn es diese Veranstaltung mit fast allen Behinderten und Betreuern heute Mittag gab, ein Abschied den ich eigentlich lieber vermeiden wollte bzw. will ist ohne Zweifel der von meinem Haus. No5 war in diesem Jahr mehr als nur ein Ort an dem ich meinen Zivildienst verbracht habe, es war mein zu Hause und die Mitbewohner waren meine Familie. Wohl in keinem anderen Projekt ist die Beziehung zu den Menschen so eng, wie bei Mount Tabor. So gab es heute mein letztes Abendmahl. Es war nicht schön, natürlich nicht. Ich habe noch immer diesen salzigen Geschmack auf meiner Lippe, wer hätte das vor einem Jahr gedacht. Zum Abschied habe ich meiner Familie einen Hefter mit ganz vielen Bildern geschenkt, ich glaubte sogar bei meinen beiden Zwillingen eine Träne oder zwei erkannt zu haben. Aber Morgen früh gibt es nun den finalen Abschied und da wollen wir jetzt mal damit aufhören.

Was bleibt nach einem Jahr Arbeit mit geistig behinderten Menschen? Dass diese Art von Arbeit nichts für meine Zukunft ist, zumindest nicht als Vollberufler. Die Arbeit mag zwar körperlich nicht allzu anstrengend gewesen sein, mental war sie es allemal und das müsste man mir wahrscheinlich auch an mir merken dürfen wenn ich wieder zurück bin. Na, freut ihr euch noch mich Wiederzusehen? Schreibt am besten alle unnatürlichen Verhaltensauffälligkeiten, die ihr an mir feststellen könnt auf, da bin ich schon mal gespannt. Nichtsdestotrotz hat mir die Arbeit unglaublich viel Spaß gemacht, es war ohne weiteres das beste Jahr meines Lebens. Aber von euch möchte ich mich jetzt noch nicht verabschieden, kommt noch.

Morgen geht es also erst einmal auf ein Camp und am Freitag, ja am Freitag kehre ich in das Dampfbad Deutschland zurück, also zumindest geht da mein Flieger. In Deutschland angekommen habe ich dann ein weiteres spannendes Seminar, bevor ich nächsten Donnerstag endgültig wieder eberswalderanischen Boden betrete. Vorfreude? Anspannung? Lust auf Sommer? Um niemanden zu verletzten lasse ich diese Fragen mal unbeantwortet und stelle sie mir selber noch einmal, wenn ich im Flieger sitze. Damit verabschiede ich mich nun aus Helensville. Ein Blog steht noch in den Sternen, schaun ma mal was dabei noch raus kommt.

Hoffentlich bringe ich etwas Regen mit!

Euch allen eine abgekühlte und nüchterne Restwoche!!

Grüßt die Kiwis!!!

Zum letzten Mal aus dem Zimmer über der Garage:

Euer Michi


Mittwoch, 30. Juni 2010

Fever Pitch.


Ein geruhsames und nüchternes Willkommen an all die, die sich wieder einmal auf diese Internetseite verirrt haben. Mittlerweile bin ich nun schon wieder in meinem kleinen, gemütlichen, dreizehn Komma vier Quadratmeter großem Zimmer in Helensville angekommen und sitze schön warm eingewickelt auf meinem gepolsterten Drehstuhl und verfasse diesen Blog, mein Kopf befindet sich dabei in direktem Doppelpass mit dem Bildschirm meines Laptops und dem an meiner Wand angehefteten WM- Spielplan. Wie, am Freitag ist schon Viertelfinale? Fass ich ja nicht. Genauso kann ich es nicht fassen, dass meine zwölf Tage Südafrika schon einfach so vorbei sind. Einfach vorbei. Ich würde sie ja gerne irgendwie festhalten, aber jedes Mal entwischen sie mir wieder. Mit einem letzten Kraftakt greife ich nochmal nach ihnen und versuche die zweite Hälfte meiner kleinen Reise in ein paar Worte zu verpacken. Dieses Mal auch wieder mit den gewöhnlichen ä‘s, ö‘s, ü’s, diesem ß und ein bisschen mehr Zeit und Ruhe, beim Durchlesen meines letzten Eintrages hätte sich Konrad Duden wohl in seinem Grab umgedreht und zwar zweimal.

Geschichten aus dem deutschen Blog II.

Wo waren wir stehen geblieben? Richtig, mein letztes Lebenszeichen stieß ich aus einem weniger erwähnenswerten Internetcafe aus der südafrikanischen Hauptstadt Pretoria ins world wide web. Nach dem Spiel der deutschen Mannschaft in Durban machte ich mich auf dem Weg nach Pretoria ins DFB- Fan Village. Da ich ja schon seit einiger Zeit, ein mehr oder weniger treues, Mitglied des DFB- Fanclub bin, dachte ich mir, dass so ein Fan- Village bestimmt was ganz lustiges sein wird, da trifft man ein paar seiner Landsleute, hat gute Gespräche bei südafrikanischem Mineralwasser und schaut dabei die anderen WM- Spiele. Nun ja, so war es ja eigentlich, fast. Das Village befand sich auf dem Gelände einer Universität (alle Studenten und Schüler in Südafrika hatten für den Zeitraum der WM frei) und der DFB- Fanclub hatte ein ganzes Gelände voller Studentenwohnungen gemietet. Dort hatte ich dann ein Einzelzimmer und ein leckeres Kantinenfrühstück inklusive. Das „Zentrum“ des Villages bestand aus einem zwanzig Mal dreizehn ein halb Meter großem Festzelt, in welchem zahlreiche Oktoberfest Tische und Sitzbänke die Bierbäuche von Frauen und Männern aushalten mussten, dazu gab es eine große Leinwand, welche zur Überraschung aller das ein oder andere Spiel dieser WM zeigte, eine Bar mit inklusivem Wurstausschank stand ebenfalls zur Verfügung. Es war schrecklich. Meine Zehen hatten noch nicht einmal indirekt Kontakt mit dem Holzboden des Zeltes gemacht, da wollte ich schon raus und einfach nur weg. In dem Zelt wurde bestialisch geraucht und die Lautstärke der Konversationen übertönte sogar den Lärm der Vuvuzelas des an die Leinwand projizierten Spiels. Die Bar fing an ab um zwölf das Bier auszuschenken und wie ich die folgenden Tage feststellte, standen die Hälfte meiner Landsleute schon Punkt zwölf Schlange und schauten ganz ungläubig auf ihre Uhr, na wo bleibt denn die Kellnerin? Aber es muss doch wenigstens ein paar Menschen gegeben haben mit denen du dich verstanden hast. Negativ. Der Durschnitt der Anwesenden lag bei circa achtunddreißig Komma sieben und viele haben mich einfach nur ignoriert. Das waren dann auch zum Großteil solche Art von Menschen, die ihre tägliche Informationssuppe aus dem Anzeigeblatt mit vier Buchstaben schlürfen und nach der Lektüre des größten Klopapiers der Welt dachten sie könnten Bundeskanzler werden. Ich war überrascht, dass das die „Bild“- Zeitung nicht vor Ort verkauft wurde. Mit dem ein oder anderen habe ich selbstverständlich schon gesprochen, aber wie dem auch sei. Nach dem jeweiligen Spieltag war natürlich noch längst nicht Schluss mit dem Bierkonsum, sondern es wurde bis weit in die Nacht rein gefeiert, aber ohne mich. Ich musste da einfach nur raus. So ging das drei ganze Tage lang, der „beste“ Ossi- Witz den ich übrigens gehört habe: „Was ist der Unterschied zwischen nem Sachsen und nem Türken? Der Türke hat Arbeit und spricht deutsch.“ Ich spürte einen barmherzigen Anflug von Erlösung als ich am Donnerstag das Camp verlassen habe. Diese Zeit hättest du auch besser nutzen können!


Du bist Deutschland?

Nächste Etappe meiner Reise: Port Elizabeth. Von Pretoria benötigt man nach PE ungefähr siebzehn Stunden mit dem Bus, ich hatte also meinen Spaß. Dort angekommen wurde erste einmal ordentlich gefrühstückt und Zeitungsschau betrieben, hier zwei Schlagzeilen (links ist die Titelseite):

„Deutschland über alles…“ und rechts kann sich jeder denken was das heißt.

Nach dieser durchaus aufschlussreichen Lektüre machte ich mich auf zum Stadion, dem Nelson Mandela Bay Stadium. Was für ein Name. Das Stadion war ok, hat mich ein bisschen an Hoffenheim erinnert, nur das die Sitze rot waren. However, das Spiel war ja nun nicht unbedingt der Brüller, aber so unglücklich war ich darüber gar nicht. Da wurde die deutsche Elf gleich von ihrer Wolke siebenundvierzig runtergeholt und das ist auch gut so.

Nelson Mandela Bay Stadium.

Einfach immer optimistisch diese Südafrikaner.

Ein enttäuschter GerMAN.

Anschließend musste ich auch gleich wieder mit dem Nachtbus nach Johannesburg zurück, PE liegt auf fünf Uhr, also ziemlich am Arsch der Welt und ich hatte noch einiges vor mir. Der Plan war nach meiner Ankunft in Johannesburg eine Stunde später mit dem Bus in die nächste Stadt zu fahren, Ticket selbstverständlich schon in der Tasche, aber dennoch skeptisch ob wir pünktlich da sein werden, die ein oder andere Erfahrung in Sachen Pünktlichkeit durfte ich ja schon machen. So kam es dann auch. Als ich morgens um sechs aus einem ziemlich angenehmen Schlaf erwachte schallte es aus den Lautsprechern: „Good morning Ladies and Gentleman. We are having a delay of about three hours. The bus driver drove the wrong way.” Supa. Drei Stunden Verspätung. In Johannesburg wurde dann gezwungenermaßen auf einen Minibus umgestiegen, der aber von deutlich größerer Modernität gesegnet war, als meine vorherigen. Eine Fahrt nach Nelspruit, circa vierhundert. Kilometer kostete mich siebenhundert Rand, achtzehn Euro, konnte ich gerade noch verschmerzen. Nelspruit liegt im Nordosten Südafrikas, bis nach Mozambique ist es nicht mehr weit. Größter Touristenmagnet ist der Krüger- Nationalpark, vierundfünfzig Kilometer entfernt. Dabei handelt es sich um das größte Wildschutzgebiet Südafrikas, aber mehr dazu in a minute. Nach meiner Ankunft traf ich an der Bar des Backpackers einen Holländer aus Amsterdam, mit dem zum einen in doch erheblichen Maße die südafrikanische Bierindustrie unterstützt wurde und zum anderen stundenlang über Fußball gefachsimpelt wurde und das in Englisch, ich habe darauf bestanden, dass er nicht in Deutsch spricht (obwohl er es eigentlich gekonnt hätte), davon hatte ich erst einmal genug. Am Abend habe ich auch noch ganz spontan eine Tour für den Krügerpark am nächsten Tag gebucht, da wurde ein kleiner Traum wahr.

Elefant, Giraffe, Zebra und Co.

Mein mit Abstand bester Tag in Südafrika begann um vier Uhr dreiundzwanzig. In kompletter Dunkelheit und das ein oder andere Bier noch im Kopf schwebend machte ich mit einem Guide und zwei Amerikanern auf in den Krüger. Dieser besitzt eine Fläche von etwa zwanzigtausend Quadratkilometern und man kann ihn ihm so ziemlich alle Tiere sehen, die man ansatzweise von Südafrika erwartet. Da ich mich in meinem bisher noch nicht allzu langen Leben nicht als großer Biologe bzw. Tierkenner erwiesen habe, lasse ich in den folgenden Momenten mehr Bilder, denn Worte sprechen.


Ach so, nochmal zur Verdeutlichung. Man muss sich das so vorstellen, dass es in diesem Park allerhand „Straßen“ gibt, die man mit eigentlich jeglichen Fahrzeugen befahren kann, Aussteigen ist natürlich strengstens verboten. Wir fahren zum Beispiel unsere ersten Minuten nach Sonnenaufgang und das steht mitten auf der Straße ein Elefant, zwei Minuten später kommt eine Giraffe vorbei. Dann sehen wir für eine Stunde kein einziges Tier, dann bekommen wir eine große Herde von Impala zu Gesicht und so weiter, es hängt sehr viel vom Glück ab. Aber hier jetzt die Tierchen.

Benjamin hatte wohl gerade seinen Spaß.

Giraffe.

Ein Horde Büffel, garstige Tiere, es reichen drei um einen Löwen zur Strecke zu bringen.

Unsere Verwandten, im Hintergrund einige Impala.

Cute.

Das angeblich gefährlichste Tier der Welt.

Keine Sorge, eine dicke Holzbarriere hat uns voneinander getrennt.

Zum Schluss noch ein Zebra. So das wars mit den Tieren. Es gab noch etliche mehr, aber irgendwann ist auch einmal Schluss. Leider habe ich keinen Löwen gesehen, ich will mich an dieser Stelle aber nicht beschweren, für meine fünf Stunden im Park bin ich mehr als zufrieden und ich komme wieder, bestimmt. Ein weiteres Tier, welches nicht sich nicht vor meine Augen traute, war, genau ein Kiwi. Aber von diesen Geschöpfen sah ich im Laufe des Tages noch einige. Es stand das Spiel Italien gegen Neuseeland auf der Tagesordnung und meine Aufregung stieg von Minute zu Minute. Mit dem Holländer und seiner Freundin habe ich mich auf dem Weg zum recht schönen Mbombela Stadion gemacht. Das Stadiondach wird von Trägern in Giraffenform gestützt und war somit der Blickfang. Und das ist doch schon der erste Kiwi, oder?

Naja, zumindest ein halber. Die folgenden neunzig Minuten waren ohne weiteres die besten meiner persönlichen Weltmeisterschaft. Für zwanzig Minuten lag eine der größten WM- Überraschungen aller Zeiten in der Luft, ehe diese verdammten Italiener ihrem Ruf alle Ehre machten und durch die kalte Winterluft zu Fall gebracht wurden. Mein Unverständnis über diese Entscheidung habe ich auch auf der Tribüne zum Ausdruck gebracht, dabei sei angemerkt, dass nahezu mein ganzer Block aus Anhängern der Squadra Azzura bestand. Die letzten zehn Minuten hielt es mich dann auch nicht mehr auf meinem Sitz, ich bin rumgesprungen und hab geschrien und dann kam der Abpfiff, eine Erlösung. Ha, eins zu eins gegen den amtierenden Weltmeister. Wer hätte das gedacht.

All Whites!!! Der Coach rief dann erst einmal zum guten alten Auslaufen.

(Die letzte Teilnahme der Kiwis datiert aus dem Jahre 1982.)

Anschließend wurde einfach nur gefeiert. Das Gute, war das mich wirklich jeder für einen Kiwi gehalten hat und ich hab mich auch als ein solcher gefühlt, mit jedem wurde abgeklatscht und angestoßen. Unvergesslich. Die Nacht hätte kein Ende mehr nehmen können und ich kann auch gar nicht sagen wann sie es tat. Vielleicht hat dieser Abend auch etwas anderes in mir ausgelöst, aber nein darüber schreibe ich jetzt hier lieber nicht.

Bafana Bafana.

So musste es weiter gehen auf meiner Reise, denn nach dem Spiel ist ja vor dem Spiel und zwei an der Zahl standen noch an. Das Erste der beiden führte mich über Johannesburg nach Bloemfontein (genau, da hat unsere Ölf am Sonntag gespielt) zum letzten Spiel der südafrikanischen Nationalmannschaft. Die Bafana Bafana (Boys Boys) trat im letzten Gruppenspiel gegen Frankreich an. Ein ebenfalls einmaliges Spiel; zur Halbzeit war auf einmal das wohl größte Fußballwunder der WM- Geschichte möglich, aber am Ende hat es dann trotz Sieges nicht für Südafrika gereicht, Aus in der Vorrunde. Aber allein schon auf Grund der Atmosphäre hat sich dieses Spiel absolut gelohnt. Fast jeder hatte eine der legendären Vuvuzelas mit dabei. Und ich muss den Südafrikanern wirklich ein dickes Lob machen. Am Anfang des Turniers wurde von den meisten ziemlich lustlos in diese Tröte rein geblasen und vielen ist das ja auf den Senkel gegangen, aber im Laufe der WM haben sie sich wirklich verbessert. Da wurde dann im Rhythmus getrötet, so ähnlich wie rhythmisches Klatschen, oder einer gab den Ton vor und alle folgten ihm dann. Ich hab jetzt übrigens auch eine, wollt ihr mal sehen:

Vuvuzela und der Verfasser.

Geschichten aus dem deutschen Blog III.

Am Tag danach, hieß es auch schon langsam Abschied nehmen, mein letzter WM- Tag und als Abschluss die deutsche Elf im Soccer City Stadion von Johannesburg, dem größten der WM. Als ich dieses betrat war ich einfach nur sprachlos. Auf dem ersten Blick könnte man schätzen, dass du einer von fünfzigtausend bist, ich wusste es aber besser, es sind dann doch neunzigtausend, überwältigend. Circa achtzig Prozent der Besucher waren natürlich für Ghana, das gab dem Spiel dann doch einen ganz besonderen Reiz. Das Spiel war nicht unbedingt schön, aber erfolgreich und so musste es an diesem Abend einfach mal sein. Ein Wort noch zu meinen Landsleuten? Vielleicht auch zwei. Es wurde immer noch viel Kritik über die Vuvuzelas laut; „Sing, don’t blow“ hat einer auf ein Plakat geschrieben. Dann wird immer angebracht, dass man sein Team doch gar nicht richtig unterstützen kann bei diesem ganzen Getröte. Seit wann sind den die Anhänger der deutschen Mannschaft eigentlich für neunzig minütigen, ununterbrochenen Support bekannt? Außer, dem arg auf die Nerven gehenden, „Deutschlaaaaand, Deutschlaaaaaand, Deutschlaaaaand,usw.“ kommt doch da auch nichts wirklich überzeugendes. Dazu gibt es noch das Problem, dass die meisten mitgereisten Fans, zwischen fünfunddreißig und vierzig sind, am besten noch ihre Frau (sorry, das ist jetzt nicht böse gemeint) mitgebracht haben, zwar neunzig Minuten stehen, aber ihren Mund dann doch nicht aufbekommen. Aber sich über die Vuvuzelas beschweren. Ich freu mich schon auf die WM in Brasilien in vier Jahren; neunzig Minuten Sambaklänge.

So das war sie nun meine ganz persönliche Weltmeisterschaft. Ich muss mich ja eigentlich schämen. Als Besitzer eines Passes der Bundesrepublik Deutschland habe ich bisher noch keine generelle Aussage zum Wetter getroffen. Ich bitte um Verzeihung. Über die zwölf Tage herrschte tagsüber herrlicher Sonnenschein. Es hing natürlich davon ab, in welchem Teil Südafrikas man sich befindet, aber trotz Sonne war es recht frisch. Warum? Rischitsch. Es herrscht Winter am Kap. Das kam man besonders abends zu spüren, da ging es dann auch mal ordentlich in die Minusgerade.

Durban – die Stadt mit den zwei Jahreszeiten; Sommer und Sommer.

Und die Landschaft? Naja, so viel hab ich nun auch nicht gesehen. Leider ist gerade Trockenzeit, sodass es recht braun aussah, außerdem gab es jede Menge Buschfeuer und abgemagerte Kühe. Ich komme auf jeden Fall wieder, dann im Sommer bestimmt und ein Trip nach Kapstadt ist dann auch Pflicht. Ein Wort noch zu den Südafrikanern. Sie haben wirklich eine tolle WM organisiert. Es mag zwar nicht alles immer einhundert Protzend glatt laufen, aber darauf stellt man sich einfach ein und wartet eben auf den Shuttle vom Stadion in die City noch einmal zwanzig Minuten. Und dann diese Begeisterung und Gastfreundlichkeit. Jedem Südafrikaner hat man es angesehen, dass er unheimlich stolz ist diese WM auszurichten. Egal ob Schwarzer, Weißer oder Bure (bitte verzeiht mir, wenn ich da jetzt politisch nicht ganz korrekt bin) sie standen vollkommen hinter ihrem Land. Ich hoffe nur, dass sich diese Einigkeit auch nach der WM fortsetzen wird. Es werden sicherlich viele, vor allem Straßenhändler enttäuscht werden, da sie sich sicher das große Geschäft erwartet haben. Einen Teil hat die FIFA dazu beigetragen, aber wenn ich jetzt anfange mich über den Weltfußballverband zu beschweren kennt die Nacht kein Morgen mehr, oder so ähnlich.

Ich hatte jedenfalls eine tolle Zeit. Punkt. Diese werde ich hoffentlich auch noch in Neuseeland haben. Verdammte zwei Wochen sind noch übrig und die Vorfreude auf zu Hause ist noch nicht wirklich existent. Kommt noch. Da ich mit diesem Blogeintrag nun auch schon kurz vor dem Elfmeterschießen stehe beende ich ihn jetzt.

Lasst uns alles Gute wünschen für Samstagnachmittag bzw. Sonntagmorgen!

Ich hoffe euch geht es allen gut!!

Grüßt die Kiwis!!!

Euer Michi

Dienstag, 15. Juni 2010

TiA.

Wer will mitkommen auf eine Reise? Eine Reise, die mich nach langer Zeit wieder aus meinem eingeoedeten, fast schon verkrusteten Alltag heraus in eine komplett andere Welt katapultiert. Eine Reise, die von langer Hand geplant wurde und mir dennoch bis zum Startschuss Bauchschmerzen bereitet hat. Eine Reise, die bei manch einem Kopfschuetteln, Entsetzten oder vielleicht doch etwas Begeisterung hervorrufen wird. Die Reise beginnt am vergangenen Freitag, dreizehn Uhr zwanzig neuseelaendischer Zeit, als Startpunkt gilt der International Airport Auckland. Dass ich an gleicher Stelle in gut einem Monat endgueltig Abschied aus Neuseeland nehmen muss, ist mir in diesem Augenblick nicht bewusst, meine Gedanken sind nur von den mir vorliegenden Tagen vereinahmt. Um mein Reiseziel zu erreichen bedarf es einer kleinen Mammuttour in zwei Etappen. Die erste von beiden fuehrt mich nach einem oelf Stunden langen Flug zum zweiten Mal in eine asiatische Millionenmetropole, zum zweiten Mal jedoch erleuchtet die Skyline nur im Dunkel der Nacht. Aber schon Hong Kongs Flughafen laesst die Dimensionen dieser Stadt erkennen. Zum Durschnaufen bleibt bleibt keine Zeit, der Startschuss zur zweiten und laengeren Etappe faellt fast unmittelbar nach der Ankunft. Auf dem Weg zum „Boarding“ stelle ich fest wie gut einhundert Menschen sich vor einem Monitor scharen und gebannt verfolgen wie sich zweiundzwanzig jeweils in gelb und schwarz gekleidete Menschen einen Ball hin und herschieben, mich interessieren die gezeigten Geschehnisse nicht wirklich. Viel mehr bewegt mich wie ich die anstehenden vierzehn Stunden Flug meistern soll, zum Glueck bietet das Unterhaltungsprogramm der Fluggesellschaft ein paar anstaendige Filme. So vergeht dieser halbe Tag im wahrsten Sinne des Wortes wie im Flug. Die Maschine setzt zum Landeanflug auf eine sich noch in der Nacht befindlichen Stadt an. Obwohl, moegen die Wolkenkratzer noch in Dunkel gekleidet sein, kann man von weitem schon die Vorbotin der Tages erhahnen. Am Horizont erscheint ein roter Streifen, der sich ueber den gesamten Kontinent legt. Er gilt nicht nur als Abgesandter der Sonne, sondern auch fuer mich ganz persoenlich als Willkommensgruss fuer den wohl aufregendsten, kontrastreichsten und gefaehrlichsten aller Erdteile. This is Africa.

Derzeit befinde ich mich in einem Internetzentrum in der suedafrikanischen Haupstadt Pretoria. Leider habe ich nur eine begrenzte Zeit und schreibe alles was mir durch den Kopf rennt. Dazu kommt, dass ich keinte ae’s, oe’s, ue’s und aeh, dieses s- Zeichen nicht gibt, ich bitte um Verzeihung fuer die zahlreichen Rechtschreib- und Gramatikfehler.

Nach einer sanften Landung auf dem Johannesburger Flughafen und dem Abholen meines Backpacks gingen meine zwoelf, seit mehr als einem halben Jahr geplanten, Tage endgueltig und offiziell los. Zuerst wurde mit dem niegel, nagel, neuen Gautrain (da koennte sich die deutsche Bahn in Sachen Mondernitaet und Puenktlichkeit eine Scheibe abschneiden) in einen Vorort gefahren. Dort wurden meine Match- und Bustickets abgeholt und anschliessend wollte ich mit dem Bus ins Stadtzentrum. Die Zeit hatte ich brav und artig vorher rausgesucht, es galt nur noch den Abfahrtsort zu finden, was sich jedoch als aeusserst schwierig erwies. Ich hatte den Eindruck, dass niemand, noch nicht mal das Info- Personal eines Shopping Centres, so wirklich einen Plan hatte. „Busstop, hab ich schon mal gehoert, frag mich aber nicht wo das ist.“ Als ich nach gut einer Stunde den moeglichen Punkt gefunden habe, fragte ich, um auf Nummer sicher zu gehen, in einer davorliegenden Tankstelle nach der Abfahrtszeit: „What time is the bus going to depart?“ „Anytime.“ Nun gut, ich muss gestehen, dass ich mit so etwas ein wenig gerechnet habe, die Afrikaner sollen ja solche Sachen nicht so ganz ernst nehmen. Ich entschloss mich einfach auf den Bus zu warten. Inzwischen kam an der Haltestelle ein Deutscher mit seiner japanischen Freundin vorbei, die gerade die gleiche Erfahrung gemacht hatten wie ich. Nach weiteren dreissig Minuten des Wartens entschlossen wir uns ein Taxi anzuhalten. Die fahren hier durch alle Staedte und haben mehr oder weniger eine Busfunktion und sind verdammt billig; gestern kostete mich ein solches Taxi sieben Rand (Rand ist die suedafrikanische Waehrung, 1Euro = 9, 5 Rand). Eine Fahrt mit diesem Transportmittel ist eine Erfahrung fuer sich. Die Taxis besitzen die Groesse eines VW- Vans, haben alle schon den zweiten Burenkrieg von 1899 bis 1902 gesehen und koennen maximal fuenfzehn Personen transportieren. An diese Vorgabe haelt sich aber eigentlich niemand. Da hat die Mutti noch mindestens zwei Kinder auf dem Schoss, es wir sich zu fuenft in eine Reihe gedrueckt oder einfach zwischen Fahrer und Beifahrer gesetzt und der Fahrer zaehlt dauernd das nach ihm nach vorne gereichte Fahrgeld, egal wir kamen zu unserem gewuenschten Ziel.

Wobei wir mussten noch etwas laufen. Als wir ausgestiegen sind wurde ich geradezu von Menschen erschlagen. Ueber all wo man hinsah schwarzafrikanische Freunde und da man als Weisser ja etwas auffaellt starrten alle einen unentwegt an. Ein Mitfahrer des Taxis hatte einen Polizeihut auf und meinte er koenne uns zum Busbahnhof fuehren, unser Zielort. Naja, ich kann mir auch eine graue Perruecke aufsetzen und sagen ich heisse Nelson Mandela, die Skepsis blieb. Die wollte auch die folgenden Tage nicht entfliehen, muss ich mich dafuer schaemen? Ich fuehle mich jedenfalls ein bisschen schlecht damit. Wie auch immer, nachdem ich meinen Rucksack am Bahnhof abgegeben habe machte ich mich auf zum ersten Spiel, in den Ellis Park von Johannesburg. Ein vor allem durch das Rugby- Finale 1995 geschichtlich gepraegtes Stadion. Meine persoenliche WM begann also am zwoelften Juni um sechzehn Uhr mit dem Eroeffnungsspiel der Gruppe B Argentinien gegen Nigeria. Ich werde es unterlassen grossartige Spielberichte hinein zu stellen. Nur so viel: Es war ein sehr gutes Spiel, allein schon die Einzigartigkeit des Lionel Messi war das Eintrittsgeld wert, dazu noch ein Diego Armando Maradonna, der im gesamten Spiel vielleicht einundzwanizig Sekunden gesessen hat. Argentinien gewann voellig verdient mit eins zu null und zum ersten Mal tauchte ich in die einmalige Stimmung eines Fussballspiels auf afrikanischen Boden ein, dazu spaeter aber noch mehr.

Nach dem Spiel machte ich auf den Weg in einen Park, der das England- Spiel auf einem Grossbildschirm zeigte, irgendwie musste ich noch die Zeit bis zur Abfahrt des Busses rumbekommen. Im Park war nicht wirklich Public Viewing angesagt, im Grunde war ich der einzige, abgesehen von ein paar Ordnern. Als dann ein Afrikaner sich zu mir gesetzt hat kam gleich das ganze Ordnerpulk an und gesellte sich unaufaellig neben uns. Nach zwei Stunden kamen auch zwei Polizisten vorbei, die fragten wo ich denn hin will. Nach dem Nennen meines Weges, beschrieben sie mir einen anderen „sicheren“ Weg. Mitten in der Halbzeit tauchte aus dem nichts ein Van der Johannesburger Polizei auf, aus diesem stiegen mindestens fuenf in zivil gekleidete Polizisten aus und fragten mich ebenfalls wo ich hin will. Wieder meinen Weg beschrieben, die Polizisten meinten aber dann, dass ich egal welchen Weg ich laufen werde, so (der Polizist zeigte auf meine Sachen und meinen Rucksack) nicht rauskommen werde. Sie nahmen mich umgehend zum Busbahnhof und machten mir noch einmal deutlich klar nie Abends in Johannesburg rumzustreunern. Da war ich selber von mir erschrocken. Die ganze Aktion war leichtsinnig und naiv, bitte nie wieder Herr Graupner. Generell muss man aber sagen, dass die Sicherheit eigentlich gegeben ist. Ueberall sind irgendwo Polizisten anzutreffen und nehmen einen zumindestens eine Sorge.

Um oelf Uhr abends wurde nun mit dem Bus nach Durban gefahren. Ich hatte die „geniale“ Idee, um Unterkunft und Transport zu sparen, ein paar Mal einfach einen Nachtbus zu nehmen, die auch nicht so teuer sind. Als ich am naechsten Morgen, um halb sieben, in Durban ankam koennt ihr euch ja also vorstellen wie ich aussah. Immer noch nicht geduscht, total unausgeschlafen und meine Haare. Die waren so fettig, da haette man ein Schmalzbrot draus machen, einen Korb flechten oder sie einfach zu Baumwolle verarbeiten koennen. In Durban, dritt groesste Stadt Suedafrikas, circa drei Millionen Einwohner, musste ich jetzt noch vierzehn Stunden bis zum deutschen Spiel rumschlagen. Es war vor allem eine Herausforderung nicht einfach einzuschlafen, dies wurde mit ordentlich Kaffee, Cola, Red Bull oder mit sich selbst schlagen (nach einem Jahr Mt Tabor nichts besonderes mehr) erfolgreich vermieden. Um etwas frischer zu wirken ging es in den indischen Ozean, zum ersten Mal in meinem Leben. Das tat auch richtig gut, nur das man jetzt auf der Schmalzstulle noch ordentlich Salz hatte.

Geschichten aus dem deutschen Blog.

So machte ich mich dann auf den Weg ins Moses Madiba Stadion, wohl das Schoenste der WM, allerdings mit Laufbahn, trotzdem war man relativ nah dran. Zu diesem schmucken Stadion kam auch noch ein schmuckes Spiel der deutschen Elf, das hat man mich natuerlich sehr gefreut. Nicht so erfreut war ich ueber meine Landsleute. Mogelicherweise habt ihr ja vor dem Fernseher die positiv verrueckten Afrikaner mit ihren Troeten, den Vuvuzelas gehoert. Angeblich soll das ja bei euch nicht so gut ankommen und auch bei den Deutschen hier vor Ort. Da wurden Mitten in der ersten Halbzeit „Scheiss Vuvuzelas“ gesungen, da haette ich am liebsten eine Atombombe in den deutschen Block geworfen. Was massen wir uns da eigentlich an? Es ist nun einmal deren Kultur, deren Art Fussball live mitzuerleben. Hat sich vor vier Jahren in Deutschland jemand beschwert als wir in jedem Spiel nach zwei Minuten schon die Laola anstimmten nur um vor zu gaukeln, dass wir in WM- Stimmung sind? So wie wir es lieben waehrend eines Spiels zu singen und zu stehen, lieben es die Afrikaner das Stadion mit ihren Vuvuzelas in eine ungewoehnliche Stimmung zu versetzen. Wenn es einen stoert soll man sich was in die Ohren stecken, was ja auch einige machen. So, das musste einfach raus. Auch ueber andere Dinge im deutschen Block koennte ich was schreiben, aber die WM ist ja noch lang und zwei Spiele sehe ich auch noch.

Nach dem Spiel ging es ohne Polizeieskort wieder zu einer Bushaltestelle, von da aus machte ich mich auf den Weg nach Pretoria, wo ich meine Zelte fuer vier Tage aufgeschlagen habe. Genauer bin ich im DFB- Fan Village. Genaueres darueber beim naechsten Mal. Jetzt wird erst einmal den Neuseelaendern beim Siegen zu gesehen. Fotos gibt es wohl erst wenn ich wieder in good old Helensville bin.

Euch noch eine tolle Weltmeisterschaft!

Bis demnaechst!!

Gruesst trotzdem noch die Kiwis!!!

Vom nicht mehr ganz anderen Ende der Welt

Euer Michi

Samstag, 29. Mai 2010

Nur noch siebenundvierzig.

So schnell sind zwei Wochen auch schon wieder rum. Da bleibt einem ja nicht mal richtig Zeit sich über das neuseeländische Wetter zu beschweren, das zum Beispiel auf der Südinsel, Oder-Flut- artige Bilder hervorruft. Aber im Guten alten Helensville ist das Leben noch in Ordnung. Da ist immer noch der örtliche Supermarkt die größte touristische Sehenswürdigkeit, die sich vor meinem Fenster türmenden Hügel wieder am grün werden und die Schafe, die Schafe haben einfach ihren Spaß. Ich werde jetzt schon unheimlich sentimental und tropfe mir die Tränen von meinen befeuchteten Wimpern, wenn ich daran denke, diese Idylle bald zu verlassen. Vor fast genau einer Woche wurde dieses atemberaubende Schauspiel allerdings unterbrochen, denn vor fast genau einer Woche gab es den alljährlichen Helensville Bücherjahrmarkt. In der dorfeigenen Stadthalle konnte jedermann seine schon seit einem Jahr verstaubten, stinkenden und verschimmelten Bücher verkaufen. Was kaufen meine beiden tauben Zwillinge da natürlich? Eine Videokassette und unzählige CDs. Obwohl, Ron bekam zehn Magazine zum Kochen in der Mikrowelle umsonst und war der glücklichste Mensch der Welt.

Ok, dann gab es da am Sonntag auch noch etwas anderes. Die Geburtszahl des Verfassers dieses Blogs
zeigt seit letztem Sonntag zwei schon seit langem nicht mehr anzutreffende Zahlen an, die ihn jetzt natürlich zu einem komplett anderen Menschen machen. Der dreiundzwanzigste Mai schützt auch am anderen Ende der Welt nicht vor dem alt werden, so kann jetzt jedes von der Sonne verblichene Haar als Ankömmling der Weisheit gedeutet werden, bei jeder vermeintlich zu erkennenden Falte wird für die Botoxspritzen gespart und mit jedem weiteren überstandenen Lebensjahr wird ein Strich gemacht, bis zur Rente sind es noch siebenundvierzig. Bevor ich das ganz vergesse möchte ich mich an dieser Stelle für alle nicht beantworteten Geburtstagsgrüße bedanken, mit einer zeitnahen Antwort habe ich es ja immer nicht so.

Am Morgen meines Geburtstages hatte ich gehofft ein ganz besonderes Geschenk zu bekommen, aber unsere Freunde aus München hatten es sich doch anders überlegt und so ging es unausgeschlafen und etwas enttäuscht in den Tag. Der eigentlich nicht weiter erwähnenswert ist, da er auf einen Sonntag fiel. Passend zum Start regnete es ungefähr zwölfeinhalb Stunden und drei Minuten und ein geplanter Ausflug fand seinen Weg ins Wasser. Abends wurde aber doch etwas „gefeiert“. Meine House Leaderin hatte mich gefragt, ob ich etwas größer feiern will, dies habe ich umgehend und vehement abgelehnt, da ich keine Lust auf dieses typische Mount Tabor- BBQ hatte, bei dem alle Behinderten und Betreuer die ganze Zeit ungeduldig und zitternd aufs Essen warten und für die Betreuer am Ende nichts mehr übrig ist, da von den Behinderten vorher schon alles aufgegessen wurde. So sind wir in einen gemütlichen kleinen Kiwi- Pub und haben dort zu Abend gegessen. Die Lokalität und das Hühnchen haben mir durchaus gefallen, sodass ich mit meinem Geburtstag ganz zufrieden bin, es gab sogar ein paar kleine Geschenke. Hier zwei Bilderchen:

Zwanzig.

Die Geburtstagscrew. (Sind natürlich nicht alle meine Mitbewohner, habe noch die Familie einer Betreuerin mit eingeladen)

Ganz mit den Feierlichkeiten war es das aber noch nicht. Am heiligen Donnerstag wurde noch mit den beiden deutschen Freiwilligen, Malte und Kosha, und Jenna, einer Mt. Tabor- Mitarbeiterin aus good old Newcastle, ein wenig nachgefeiert. Es gab eine Subwaybüfetplatte, das ein oder andere Tui und, und wir hatten einfach eine tolle Zeit.

Das kann es doch aber hier noch nicht gewesen sein, oder wie? Hm, ich könnte ich euch noch vom Tag nach meinem Geburtstag schreiben. Der war ungeahnter Weise ein Montag und am ersten Tag der Woche obliegt mir immer die Ehre meine Mitbewohner zu bekochen. Schon seit Ewigkeiten forderte mich meine House Leaderin auf etwas richtig „deutsches“ zu kochen. Die Frage nach dem typischen deutschen Gericht hatte ich ja vor ein paar Monaten schon einmal gestellt. So entschied ich mich letztendlich für Kassler, Sauerkraut und Kartoffelknödel. Nun gut, so ein Kassler wächst aber auch nicht an neuseeländischen Kiwifrüchten und erst durch Zufall bekam ich von einem Deutschen, der hier in der Gegend schon seit neun Jahren lebt, die Adresse für eine deutsche Fleischerei, nur dreißig Minuten entfernt. Da wurde neben dem Kassler auch ordentlich Wurst eingekauft, mir wurde da erst einmal richtig bewusst wie sehr ich doch deutsche Wurstwaren vermisse. Das Sauerkraut stand schon vorher eine Weile im Schrank - gekauft in einem holländischen Lebensmittelladen weiter nördlich, viva Oranje. Ab ging die Post. Alles in allem stand ich wohl sieben Stunden in der Küche; zum Mittag gab es schon als Vorgeschmack eine Kartoffelsuppe und als Dessert wurde mir Vanillepudding empfohlen, meinte jedenfalls so ein Hans im Internet. Ich lasse mal die Bilder für sich sprechen:

Typisch deutsch?

Meine Kochfee Rachael.

Die „glücklichen“ Esser.

Es bleibt erst einmal zu vermelden, dass keiner gestorben ist, immerhin. Leider gab es nicht genügend Kassler und dann auch noch ein Kotelett, aber hat eigentlich keinen weiter gestört. So ergab sich nach nicht mal fünfzehn Minuten folgendes Bild:

Alles weg.

Gut ein leerer Teller heißt noch lange nichts, da hier gegessen wird was auf den Tisch kommt, da sollte sich manch anderer ein Beispiel nehmen. Einer der Zwillinge zeigte aber zum Beispiel auf den Kloß und markierte seine Zufriedenheit über diese ungewöhnliche Beilage mit einem nach oben gestreckten Daumen und auch sonst blickten alle zufrieden drein. Sogar der Verfasser fand es zumindest annehmbar, obwohl, die Klöße waren ein Tick zu mehlig.

So kratze ich jetzt auch die letzten Reste von diesem Teller. Wobei, so richtig viel war heute ja wieder nicht drauf. Beim nächsten Eintrag heißt es wahrscheinlich zum ersten Mal schon Abschied nehmen, Abschied von einem ganz innigen Wegbegleiter. Aber da wird jetzt noch keine Tränenflüssigkeit bewegt, sondern fürs nächste Mal aufgehoben.

Ah ich habe noch etwas für euch, neulich erst wieder entdeckt. Es war irgendwann im November letzten Jahres. Ron liest sich die örtliche Zeitung durch und zeigt auf einmal ganz aufgeregt auf einen Zeitungsartikel. Nicht nur das, sein Finger wendet sich vom Artikel ab und zeigt plötzlich auf mich. Gespannt schaue ich mir dir Zeitung an und wäre vor Schock fast umgefallen. Seit Mitte August bin nun schon ein Mitglied des Helensviller Fitnessstudios, eines Tages wurde dort ein Foto geschossen, alle Menschen haben sich ganz gestellt an irgendwelche Geräte gesetzt, ich dachte das machen die nur aus Langeweile. Falsch gedacht. Ich hoffe ihr könnt es halbwegs erkennen, oder besser nicht.

Der Schweiß läuft mir vor lauter Anstrengung nur so in Gesicht.

Aber jetzt ist langsam Schluss hier, oda watt.

An diesem für mich doch etwas besonderen Tag wünsche ich euch alles Glück der Welt!

Ein besonnenes Wochenende!!

Grüßt die Kiwis!!!

Euer Michi