Dienstag, 15. Juni 2010

TiA.

Wer will mitkommen auf eine Reise? Eine Reise, die mich nach langer Zeit wieder aus meinem eingeoedeten, fast schon verkrusteten Alltag heraus in eine komplett andere Welt katapultiert. Eine Reise, die von langer Hand geplant wurde und mir dennoch bis zum Startschuss Bauchschmerzen bereitet hat. Eine Reise, die bei manch einem Kopfschuetteln, Entsetzten oder vielleicht doch etwas Begeisterung hervorrufen wird. Die Reise beginnt am vergangenen Freitag, dreizehn Uhr zwanzig neuseelaendischer Zeit, als Startpunkt gilt der International Airport Auckland. Dass ich an gleicher Stelle in gut einem Monat endgueltig Abschied aus Neuseeland nehmen muss, ist mir in diesem Augenblick nicht bewusst, meine Gedanken sind nur von den mir vorliegenden Tagen vereinahmt. Um mein Reiseziel zu erreichen bedarf es einer kleinen Mammuttour in zwei Etappen. Die erste von beiden fuehrt mich nach einem oelf Stunden langen Flug zum zweiten Mal in eine asiatische Millionenmetropole, zum zweiten Mal jedoch erleuchtet die Skyline nur im Dunkel der Nacht. Aber schon Hong Kongs Flughafen laesst die Dimensionen dieser Stadt erkennen. Zum Durschnaufen bleibt bleibt keine Zeit, der Startschuss zur zweiten und laengeren Etappe faellt fast unmittelbar nach der Ankunft. Auf dem Weg zum „Boarding“ stelle ich fest wie gut einhundert Menschen sich vor einem Monitor scharen und gebannt verfolgen wie sich zweiundzwanzig jeweils in gelb und schwarz gekleidete Menschen einen Ball hin und herschieben, mich interessieren die gezeigten Geschehnisse nicht wirklich. Viel mehr bewegt mich wie ich die anstehenden vierzehn Stunden Flug meistern soll, zum Glueck bietet das Unterhaltungsprogramm der Fluggesellschaft ein paar anstaendige Filme. So vergeht dieser halbe Tag im wahrsten Sinne des Wortes wie im Flug. Die Maschine setzt zum Landeanflug auf eine sich noch in der Nacht befindlichen Stadt an. Obwohl, moegen die Wolkenkratzer noch in Dunkel gekleidet sein, kann man von weitem schon die Vorbotin der Tages erhahnen. Am Horizont erscheint ein roter Streifen, der sich ueber den gesamten Kontinent legt. Er gilt nicht nur als Abgesandter der Sonne, sondern auch fuer mich ganz persoenlich als Willkommensgruss fuer den wohl aufregendsten, kontrastreichsten und gefaehrlichsten aller Erdteile. This is Africa.

Derzeit befinde ich mich in einem Internetzentrum in der suedafrikanischen Haupstadt Pretoria. Leider habe ich nur eine begrenzte Zeit und schreibe alles was mir durch den Kopf rennt. Dazu kommt, dass ich keinte ae’s, oe’s, ue’s und aeh, dieses s- Zeichen nicht gibt, ich bitte um Verzeihung fuer die zahlreichen Rechtschreib- und Gramatikfehler.

Nach einer sanften Landung auf dem Johannesburger Flughafen und dem Abholen meines Backpacks gingen meine zwoelf, seit mehr als einem halben Jahr geplanten, Tage endgueltig und offiziell los. Zuerst wurde mit dem niegel, nagel, neuen Gautrain (da koennte sich die deutsche Bahn in Sachen Mondernitaet und Puenktlichkeit eine Scheibe abschneiden) in einen Vorort gefahren. Dort wurden meine Match- und Bustickets abgeholt und anschliessend wollte ich mit dem Bus ins Stadtzentrum. Die Zeit hatte ich brav und artig vorher rausgesucht, es galt nur noch den Abfahrtsort zu finden, was sich jedoch als aeusserst schwierig erwies. Ich hatte den Eindruck, dass niemand, noch nicht mal das Info- Personal eines Shopping Centres, so wirklich einen Plan hatte. „Busstop, hab ich schon mal gehoert, frag mich aber nicht wo das ist.“ Als ich nach gut einer Stunde den moeglichen Punkt gefunden habe, fragte ich, um auf Nummer sicher zu gehen, in einer davorliegenden Tankstelle nach der Abfahrtszeit: „What time is the bus going to depart?“ „Anytime.“ Nun gut, ich muss gestehen, dass ich mit so etwas ein wenig gerechnet habe, die Afrikaner sollen ja solche Sachen nicht so ganz ernst nehmen. Ich entschloss mich einfach auf den Bus zu warten. Inzwischen kam an der Haltestelle ein Deutscher mit seiner japanischen Freundin vorbei, die gerade die gleiche Erfahrung gemacht hatten wie ich. Nach weiteren dreissig Minuten des Wartens entschlossen wir uns ein Taxi anzuhalten. Die fahren hier durch alle Staedte und haben mehr oder weniger eine Busfunktion und sind verdammt billig; gestern kostete mich ein solches Taxi sieben Rand (Rand ist die suedafrikanische Waehrung, 1Euro = 9, 5 Rand). Eine Fahrt mit diesem Transportmittel ist eine Erfahrung fuer sich. Die Taxis besitzen die Groesse eines VW- Vans, haben alle schon den zweiten Burenkrieg von 1899 bis 1902 gesehen und koennen maximal fuenfzehn Personen transportieren. An diese Vorgabe haelt sich aber eigentlich niemand. Da hat die Mutti noch mindestens zwei Kinder auf dem Schoss, es wir sich zu fuenft in eine Reihe gedrueckt oder einfach zwischen Fahrer und Beifahrer gesetzt und der Fahrer zaehlt dauernd das nach ihm nach vorne gereichte Fahrgeld, egal wir kamen zu unserem gewuenschten Ziel.

Wobei wir mussten noch etwas laufen. Als wir ausgestiegen sind wurde ich geradezu von Menschen erschlagen. Ueber all wo man hinsah schwarzafrikanische Freunde und da man als Weisser ja etwas auffaellt starrten alle einen unentwegt an. Ein Mitfahrer des Taxis hatte einen Polizeihut auf und meinte er koenne uns zum Busbahnhof fuehren, unser Zielort. Naja, ich kann mir auch eine graue Perruecke aufsetzen und sagen ich heisse Nelson Mandela, die Skepsis blieb. Die wollte auch die folgenden Tage nicht entfliehen, muss ich mich dafuer schaemen? Ich fuehle mich jedenfalls ein bisschen schlecht damit. Wie auch immer, nachdem ich meinen Rucksack am Bahnhof abgegeben habe machte ich mich auf zum ersten Spiel, in den Ellis Park von Johannesburg. Ein vor allem durch das Rugby- Finale 1995 geschichtlich gepraegtes Stadion. Meine persoenliche WM begann also am zwoelften Juni um sechzehn Uhr mit dem Eroeffnungsspiel der Gruppe B Argentinien gegen Nigeria. Ich werde es unterlassen grossartige Spielberichte hinein zu stellen. Nur so viel: Es war ein sehr gutes Spiel, allein schon die Einzigartigkeit des Lionel Messi war das Eintrittsgeld wert, dazu noch ein Diego Armando Maradonna, der im gesamten Spiel vielleicht einundzwanizig Sekunden gesessen hat. Argentinien gewann voellig verdient mit eins zu null und zum ersten Mal tauchte ich in die einmalige Stimmung eines Fussballspiels auf afrikanischen Boden ein, dazu spaeter aber noch mehr.

Nach dem Spiel machte ich auf den Weg in einen Park, der das England- Spiel auf einem Grossbildschirm zeigte, irgendwie musste ich noch die Zeit bis zur Abfahrt des Busses rumbekommen. Im Park war nicht wirklich Public Viewing angesagt, im Grunde war ich der einzige, abgesehen von ein paar Ordnern. Als dann ein Afrikaner sich zu mir gesetzt hat kam gleich das ganze Ordnerpulk an und gesellte sich unaufaellig neben uns. Nach zwei Stunden kamen auch zwei Polizisten vorbei, die fragten wo ich denn hin will. Nach dem Nennen meines Weges, beschrieben sie mir einen anderen „sicheren“ Weg. Mitten in der Halbzeit tauchte aus dem nichts ein Van der Johannesburger Polizei auf, aus diesem stiegen mindestens fuenf in zivil gekleidete Polizisten aus und fragten mich ebenfalls wo ich hin will. Wieder meinen Weg beschrieben, die Polizisten meinten aber dann, dass ich egal welchen Weg ich laufen werde, so (der Polizist zeigte auf meine Sachen und meinen Rucksack) nicht rauskommen werde. Sie nahmen mich umgehend zum Busbahnhof und machten mir noch einmal deutlich klar nie Abends in Johannesburg rumzustreunern. Da war ich selber von mir erschrocken. Die ganze Aktion war leichtsinnig und naiv, bitte nie wieder Herr Graupner. Generell muss man aber sagen, dass die Sicherheit eigentlich gegeben ist. Ueberall sind irgendwo Polizisten anzutreffen und nehmen einen zumindestens eine Sorge.

Um oelf Uhr abends wurde nun mit dem Bus nach Durban gefahren. Ich hatte die „geniale“ Idee, um Unterkunft und Transport zu sparen, ein paar Mal einfach einen Nachtbus zu nehmen, die auch nicht so teuer sind. Als ich am naechsten Morgen, um halb sieben, in Durban ankam koennt ihr euch ja also vorstellen wie ich aussah. Immer noch nicht geduscht, total unausgeschlafen und meine Haare. Die waren so fettig, da haette man ein Schmalzbrot draus machen, einen Korb flechten oder sie einfach zu Baumwolle verarbeiten koennen. In Durban, dritt groesste Stadt Suedafrikas, circa drei Millionen Einwohner, musste ich jetzt noch vierzehn Stunden bis zum deutschen Spiel rumschlagen. Es war vor allem eine Herausforderung nicht einfach einzuschlafen, dies wurde mit ordentlich Kaffee, Cola, Red Bull oder mit sich selbst schlagen (nach einem Jahr Mt Tabor nichts besonderes mehr) erfolgreich vermieden. Um etwas frischer zu wirken ging es in den indischen Ozean, zum ersten Mal in meinem Leben. Das tat auch richtig gut, nur das man jetzt auf der Schmalzstulle noch ordentlich Salz hatte.

Geschichten aus dem deutschen Blog.

So machte ich mich dann auf den Weg ins Moses Madiba Stadion, wohl das Schoenste der WM, allerdings mit Laufbahn, trotzdem war man relativ nah dran. Zu diesem schmucken Stadion kam auch noch ein schmuckes Spiel der deutschen Elf, das hat man mich natuerlich sehr gefreut. Nicht so erfreut war ich ueber meine Landsleute. Mogelicherweise habt ihr ja vor dem Fernseher die positiv verrueckten Afrikaner mit ihren Troeten, den Vuvuzelas gehoert. Angeblich soll das ja bei euch nicht so gut ankommen und auch bei den Deutschen hier vor Ort. Da wurden Mitten in der ersten Halbzeit „Scheiss Vuvuzelas“ gesungen, da haette ich am liebsten eine Atombombe in den deutschen Block geworfen. Was massen wir uns da eigentlich an? Es ist nun einmal deren Kultur, deren Art Fussball live mitzuerleben. Hat sich vor vier Jahren in Deutschland jemand beschwert als wir in jedem Spiel nach zwei Minuten schon die Laola anstimmten nur um vor zu gaukeln, dass wir in WM- Stimmung sind? So wie wir es lieben waehrend eines Spiels zu singen und zu stehen, lieben es die Afrikaner das Stadion mit ihren Vuvuzelas in eine ungewoehnliche Stimmung zu versetzen. Wenn es einen stoert soll man sich was in die Ohren stecken, was ja auch einige machen. So, das musste einfach raus. Auch ueber andere Dinge im deutschen Block koennte ich was schreiben, aber die WM ist ja noch lang und zwei Spiele sehe ich auch noch.

Nach dem Spiel ging es ohne Polizeieskort wieder zu einer Bushaltestelle, von da aus machte ich mich auf den Weg nach Pretoria, wo ich meine Zelte fuer vier Tage aufgeschlagen habe. Genauer bin ich im DFB- Fan Village. Genaueres darueber beim naechsten Mal. Jetzt wird erst einmal den Neuseelaendern beim Siegen zu gesehen. Fotos gibt es wohl erst wenn ich wieder in good old Helensville bin.

Euch noch eine tolle Weltmeisterschaft!

Bis demnaechst!!

Gruesst trotzdem noch die Kiwis!!!

Vom nicht mehr ganz anderen Ende der Welt

Euer Michi

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