Sonntag, 23. August 2009

Ein herzliches Kia Ora!

(Kia Ora bedeutet soviel wie „Hallo“ – auf maori; die Sprache der Ureinwohner, der Maori^^)

Erst einmal bitte ich die Verzögerung dieser Blogeintragung zu entschuldigen, wenn man immer bis circa 22 Uhr „arbeitet“ ist man gedanklich nicht mehr in der Lage noch einen konstruktiven Eintrag zu erstellen. Deshalb schreibe ich jetzt auch aus dem Bus nach Auckland (bzw. fange ich ihn an), mit Blick auf unzählige Schaffe und Kühe dürfte mir jetzt doch einiges einfallen. Was macht also nun ein deutscher Zivildienstleistender (eigentlich, laut ICJA und Ministerium für Zivildienst, Teilnehmer eines freiwilligen soziales Jahres im Ausland) in Neuseeland? Im Endeffekt nichts anderes als all die die in Krankenhäusern, Altersheimen, in Schulen, Parks und sonst wo 9 Monate dem deutschen Steuerzahler zur Last fallen. Nur, dass ich dies 12 Monate tue, hier die Autos auf der linken Seite fahren und etwas mehr Grün in meiner Umgebung ist. Nun gut, meine Arbeit hier ist möglicherweise dann doch noch etwas anders im Vergleich zu den anderen Freiwilligen, aber komme ich nun dazu was ich genau mache.

Ich wohne, arbeite und lebe in einer Art WG mit vier bzw. fünf geistig behinderten Menschen, die ich euch jetzt erst einmal vorstellen will. Bitte versucht aus den Beschreibungen nicht allzu viel Wertung herauszunehmen, mir gefällt es hier wirklich sehr gut, möglicherweise könnten einige Formulierungen missverstanden werden, das liegt dann wohl an meinem mangelnden Wortschatz, egal komme ich jetzt endlich zu dem eigentlich wichtigen dieses Blogs:

Ron und Roy sind Zwillinge, werden am Dienstag 78 Jahre alt und sind schon von Geburt an taub. Den größten Teil des Tages verbringen mit puzzeln. Eintausend Teile oder manchmal sogar mehr, man stört sie nur ungern dabei. Beide sind trotzdem recht unterschiedliche Charaktere. Ron mag junge, leichtbekleidete Damen, immer wenn eine solche im Fernsehen auftritt freut er sich wie ein kleiner Junge, sein Bruder schüttelt dann immer mit dem Kopf. Der schaut sich lieber Kriegsfilme an. Neulich hat er sich Pearl Harbour (als Video, somit ohne Untertitel) gekauft. In einer Woche hat er sich das bestimmt schon fünfmal in seinem Zimmer angeschaut, dann kommt er wieder zu uns ins Wohnzimmer und imitiert die Japaner wie sie auf die Amerikaner geschossen haben, dabei zeigt er auf einen unserer Betreuer, einen waschechten Ami.

Rachel ist 39 Jahre alt und leidet an Autismus. Sie ist eigentlich eine ganz liebe, wenn allerdings mal etwas nicht nach ihren Vorstellungen verläuft kann sie auch ganz schnell wütend werden. Vor kurzem durfte sie nicht in die Schwimmhalle da sie etwas erkältet war, daraufhin hat sie sich dann in ihr Zimmer eingeschlossen und hat mit ihren ganzen Sachen nur so um sich geworfen. Ihr ganzes Zimmer besteht fast nur aus Kuscheltieren und Luftballons so ist also nicht allzu viel zu Bruch gegangen, außerdem fotografiert sie für ihr Leben gern. Am meinem ersten Tag war ich dann auch gleich ihr Motiv, so hängt jetzt ein ziemlich erbärmliches Bild (bezogen natürlich auf mich, da ich grad bei der Küchenarbeit fotografiert wurde) von mir bei uns in der Küche.

Agnes leidet ebenfalls an Autismus und ist 63 Jahre alt. Gleich als ich ankam hat sie mich gefragt ob ich ein Vegetarier sei, aus welchem Bereich Deutschlands ich komme, als sie dann herausgefunden hat, dass ich aus dem wunderschönen Osten der Republik komme hat sie noch gefragt ob ich ein Kommunist sei, diese Frage hab ich natürlich verneint. Über Agnes könnte man Stunden schreiben, ich versuche mich kurz zufassen. Ihre Hobbies sind Geografie und Geschichte. Vor allem die Geschichte des britischen Königshauses, davon hat sie eine ganze Reihe Bücher, da kommen dann zwangsläufig geografische deutsche Namen vor. Am Abend meines ersten Arbeitstages kam sie mit einer ganzen Seite voller deutscher Städte, Flüsse und anderen geografischen Sachen an, sie hat mich dann gefragt wie ich die alle ausspreche(„we call it … I don‘ how you call it in german“). Das geht jetzt fast jeden Abend so, manche Dinge hat sie mich schon mindestens fünfmal gefragt, aber sie findet doch immer was Neues. Jetzt soll ich ihr mittlerweile richtig Deutsch beibringen, mal sehen was sie in vier Monaten so drauf hat, wenn ich die WG verlasse. Sie sagt dann ihren Freunden immer; „That’s Michael, he teaches me german.“

Robbie ist 40 oder so, leidet unter Paranoia und ist immer nur tagsüber bei uns. Außer einmal im Monat schläft er am Wochenende hier und das ist genau dieses. Was gestern Morgen dazu führte, dass er um halb sieben aufgestanden ist und brutal laut an meine Tür geklopft und mich somit wach gemacht hat, er wollte seine zwei Morgenzigaretten haben. Er ist passionierter Raucher, wenn er könnte würde Robbie eine ganze Schachtel am Tag rauchen, er darf aber nur 7 Zigaretten am Tag verzehren, sonst läuft er Gefahr zu sterben. Wenn er die mal nicht bekommt kann er ganz schön laut und beleidigend werden („you are a fucking idiot“ hat er neulich zu einer Betreuerin gesagt), am Freitag musste auch die Polizei kommen und ihn mitnehmen, weil er den Chef beleidigt hat. Wenn er aber in einer guten Stimmung ist, kann er ganz nett und hilfsbereit sein, ich komme recht gut mit ihm klar.

Das waren dann die „core people“ wie sie genannt werden. Dann wohnen mit mir noch zwei Betreuer im Haus; Cathy und David. Cathy ist der „houseleader“ (find keine passende deutsche Bezeichnung), sie hat den Laden hier im Griff. David ist, wie schon erwähnt, Amerikaner und arbeitet seit vier Monaten hier. Man könnte sagen, so stellt man sich einen Ami vor. Am ersten Abend hat er mir gleich erst einmal eine Lektion zum Thema(deutscher) Geschichte gegeben; ohne die Amerikaner wäre der Zweite Weltkrieg nicht zu Ende gegangen und nur wegen ihnen konnte die Mauer zu Fall gebracht werden. Auf Grund, von bis dahin noch, mangelndem Vokabular habe ich ihm mal in dem Glauben gelassen. Im Großen und Ganzen ist er aber in Ordnung.

Was mache ich nun hier in good old Helensville (Helensville hat ungefähr so viele Einwohner wie Lichterfelde, ist 45 km von Auckland weg und gilt hier fast schon wie eine kleine Großstadt)? Um acht gibt es Frühstück, danach putze ich meistens eins oder zwei der drei Bäder. Anschließend fahre ich dann die core people mit dem Van durch die Gegend, was ungeheuren Spaß macht, man gewöhnt sich ganz schnell an die linke Seite. Zum Basteln, Kochen, samstags oder sonntags in die Kirche, Tanzen, etc.. Einen genauen Wochenablauf kann ich ja beim nächsten Mal liefern. Dann hänge ich noch die Wäsche auf, koche immer samstags(gestern gabs Steak, Kartoffeln und neuseeländisches Tiefkühlgemüse, die Stimmung am Tisch über mein Essen war eher durchwachsen) und schaue DVD. David hat ca. 59 DVDs, da war fast jeden Abend eine drin. Zwei Tage hab ich in der Woche frei, die ich meistens mit Tom (einen anderen Freiwilligen, der aber in Auckland ist) verbringe. Dann ist hier in Helensville noch ein brasilianischer Freiwilliger, Fabio, mit dem ich ab und zu in mein Karin- Ersatz- Lokal(für Unwissende; dass ist die „Haltestelle“ in Eberswalde) gehe, zwar fehlt die Bowu und das Weizen, aber immerhin haben sie hier zwei ordentliche Pooltische. Gestern Abend sind wir ganz spontan noch nach Auckland gefahren und haben uns ein Rugby- Spiel der All Blacks (die neuseeländische Rugby Nationalmannschaft) im Pub angeschaut. Rugby ist hier nicht nur einfach eine Nationalsportart, es ist fast schon eine Religion, wenn die All Blacks mal verlieren, wie vor zwei Wochen, dann herrscht im ganzen Land eine Trauerstimmung, wenn sie, wie gestern (19:18 gegen Australien), gewinnen, ist hier mehr los als auf
jeder WM- Fanmeile in Deutschland.

Wie Ihr sicher schon gemerkt habt sind die letzten Zeilen nicht mehr im Bus entstanden, sondern in meinem luxuriösen Zimmer, in dem ich nun auch diese Eintragung auch beenden werde. Mein Fazit nach zwei Wochen ganz knapp: es gefällt mir hier sehr, schaun mal wie sich das entwickelt. Tut mir Leid für die Überlänge, aber kurzfassen war ja noch nie so wirklich eine meiner Stärken. Bilder werden sicherlich in den nächsten zwei Wochen folgen (unten ist ja schon mal eins), wie hoffentlich auch die eine oder andere Verbesserung auf dieser Seite. Wahrscheinlich werde ich es auch zur Pflicht machen, dass alle die die meinen Blog lesen wollen in einem Monat die SPD wählen müssen. Irgendwie müssen wir ja zumindest die 5- Prozenthürde knacken. In diesem Sinne.

Bis demnächst!

Ein Gruß an euch alle!!

Grüßt die Kiwis!!!

Euer Michi

Haere ra („Auf Wiedersehen“)

Montag, 10. August 2009

Ja, er lebt noch!

(Verfasst am: 03.08.2009; 22:03 Uhr)Schön das ihr bzw. sie (Personen die von mir bisher das „Sie“ gewohnt waren, sind bitte jetzt nicht enttäuscht, wenn ich im Laufe meiner Einträge auf diese Höflichkeitsformel verzichten werde) nun auch meine Blogseite im Internet gefunden habt. Sieht noch ein wenig düster hier aus, das wird sich aber demnächst sicher ändern. Hoffentlich mach ich nicht allzu viele Rechtschreibfehler, meine Schrift bleibt euch ja zumindest schon einmal erspart. Fotos will ich hier dann auch irgendwann reinstellen, allerdings dürfte das etwas dauern, warum? Das erfahrt ihr, wenn ihr noch ein wenig weiterlest.

Ich melde mich nun also vom andern Ende der Welt, genauer genommen von der Nordinsel Neuseelands, noch genauer aus der 100.000- Einwohnerstadt Tauranga und ganz genau von einem Campingplatz etwas außerhalb der Stadt. Lieg hier grad recht gemütlich in einem warmen Bett. Draußen sind grad ca. 4,3 Grad und es regnet, wie ihr sicher wisst ist hier Winter, wobei man das vor allem nachts wirklich merkt. Ansonsten scheint relativ konstant die Sonne.

In unserem Zimmer (wohl eher näher beschrieben als ein nicht isolierter Raum von 16,7 m² und 4 Doppelstockbetten) sind 4 Deutsche, ein Amerikaner, ein Brasilianer und ein Däne. Ich absolviere hier eine Art Orientation Camp über eine Woche in der hauptsächlich Englisch unterrichtet wird. Von den 43 Teilnehmern sind 23 deutsch. Der Flug war nicht so schlimm wie ursprünglich gedacht, die Busfahrten nach London und Bella Italia waren um einiges anstrengender und unkomfortabler. Insgesamt waren wir schätzungsweise 30 Stunden unterwegs, unser erster August hatte sage und schreibe 17 Stunden. Mein Körpergeruch war allerdings in Auckland nicht mehr ganz der beste, aber als erfahrener Wanderer ist man das ja schon gewohnt. Das Essen war überraschend lecker, wobei wir in den 25 Flugstunden 2 mal Abendbrot und Frühstück und einmal Mittag bekamen. Alles in allem war der Flug recht entspannend, hätte ich da nur nicht meine Serie der verloren gehenden Dinge innerhalb eines Monats fortgesetzt. Nachdem Handy, zwei Hüten und meiner Jacke (die ich Gott sei Dank wiederbekommen hab) war nun diesmal meine Kamera an der Reihe, deswegen erst einmal die Verzögerung mit den Bildern, vermutlich wurde sie gestohlen.

Heute konnte ich dann zum ersten Mal dieses wunderschöne Land genießen, sind auf einen ca. 200 Meter hohen Berg gewandert, den Mount Managui, oder so. Die Aussicht von da oben war natürlich traumHAFT, ansonsten kann man es ein wenig mit Irland vergleichen, lauter Schafe (auf einen Neuseeländer kommen insgesamt zehn dieser weniger belichteten Tiere) und die dominierende landschaftliche Farbe ist ebenfalls grün.

Nun gut, werd dann mal langsam zum Ende kommen. Hoff mal, dass ich das mit dem Blog regelmäßig machen werde, wenn es was zu berichten gibt werde ich es auch wissen lassen. Mal schauen wie viele am Ende noch dabei sind, also so in 355 Tagen. Ihr könnt natürlich auch eure Meinung dazuschreiben, indem ihr dann einen Kommentar einfügt.

Bis demnächst!

Hab euch alle lieb!!

Grüßt die Kiwis!!!

Euer Michi