Donnerstag, 29. Juli 2010

Der Letzte macht das Licht aus.

Es ist Samstag der siebzehnte Juli. Erschöpft, übermüdet und stinkend erreiche ich gegen neun Uhr morgens den Frankfurter Hauptbahnhof. Eine der ersten Taten die ich in meinem Heimatland verbringen will ist der Kauf einer Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Ein gutbesuchter Zeitungsladen hat einige Exemplare dieser Zeitung ausliegen und wird von mir nun auch frequentiert. Ich stelle mich an die Schlange um zu bezahlen. Nachdem mein Vorgänger nach langem Suchen seine Münzen für die „Frankfurter Rundschau“ zusammen hat, bin ich an der Reihe. Ich stelle mich vor die Kasse und warte. Ich reiche der Verkäuferin die Zeitung und warte immer noch. Sie schaut nicht glücklich aus. Ihre Mundwinkel haben wahrscheinlich am heutigen Tag selten die horizontale Position verlassen. Trotz der noch frühen Uhrzeit sieht sie gestresst aus, ein wenig Schweiß läuft von ihrer leicht pigmentierten Stirn. Ich warte immer noch. Sie scannt die Zeitung ein und ich warte einfach immer noch auf ein freundliches „How are you?“, ein „What a nice day.“ oder ein „How are things today?“. Aber es kommt nichts. Einzig nachdem Einscannen öffnet sie ihren Mund: „Zwei Zwanzig!“

Ich begrüße euch zur letzten Ausgabe von „Vom anderen Ende der Welt.“ Wobei ich mich nun schon seit elf Tagen wieder auf deutschem Boden, aber immer noch nicht zu Hause befinde. Zu schwer fiel mir der Abschied aus Neuseeland, als dass ich mich ohne weiteres in den deutschen Alltag zurück gewöhnen kann. Ein letztes Mal schreibe ich euch heute nun, zum fünfundzwanzigsten Mal übrigens, zum Abschied ein runder Geburtstag, schöner könnte es doch kaum sein. Dann wollen wir mal loslegen mit dem Danksagungs- Marathon. Startschuss.

Am Ende meines letzten Blogs war ich gerade beim Verabschieden meiner Behinderten. Nach meinem ziemlich emotionalen Farewell- Dinner stand der endgültige Abschied am Dienstagmorgen an. Auch wenn meine ehemaligen Mitbewohner diese Zeilen niemals zu lesen bekommen möchte ich mich bei jedem einzelnen noch einmal für alles bedanken.

Thank you Ron.

Thank you Roy.

Thank you Agnes.

Thank you Rachael.

Thank you Cathy.

Thank you No5.

Am Dienstag ging es dann mit den anderen vier Freiwilligen zu einem Abschlusscamp meines Komitees in Neuseeland. Die einzige Erkenntnis dieses Camp war, das das neuseeländische Komitee eine Neudefinierung von erbärmlicher Organisation geschaffen hat und wir alle froh waren als es nach drei Tagen ein Ende gab. Zwei Tage später kam der Tag den ich so gern für unbestimmte Zeit nach hinten verschoben hätte. Mein Abschied aus Neuseeland. Ich bin ich euch ja noch die Auflösung mein kleines Gewichträtsels über die Schwere meiner Tasche schuldig. Es waren dann doch sage und schreibe einunddreißig Kilo. Ich musste dann am Flughafen noch sechs Kilo verlieren und in einem kleinen Wutanfall habe ich das mit dem Hinausschmeißen von Handtüchern, einer Hose und der Weitergabe meiner Bücher an meine Chefin auch geschafft. Dann hieß es: Bye Bye New Zealand. Oh Neuseeland, was habe ich dich geliebt für deine einzigartigen Landschaften, deine freundlichen Einwohner, deine frischen und saftigen Kiwis und vieles anderes mehr. Oh Neuseeland, was habe ich dich gehasst für dein Tempolimit von einhundert Stundenkilometer, für die ständigen Bauarbeiten auf Highways und dein grauenhaftes Essen. Oh Neuseeland, wie ich dich jetzt schon vermisse, aber keine Angst ich komme wieder, alle zehn Jahre, mindestens.

So war Neuseeland am siebzehnten Juli um zwölf Uhr einunddreißig für mich Geschichte. Der Flug soll diesmal nun wirklich keinerlei Erwähnung auf dieser Seite finden und wurde ohne Beinbrüche gut überstanden. An meinem letzten Neuseeland Tag hatte es nach fünf Tagen Sonne wieder angefangen zu regnen und als wir aus unserem Flugzeug wieder deutsche Felder, deutsche Ortschaften und deutsche Autobahnen zu Gesicht bekamen setzte ebenfalls leichter Regen ein. Somit wurde ich also nicht gleich von Dr. Hitze erschlagen, was durchaus angenehm war. Vom Frankfurter Flughafen ging es direkt zum Hauptbahnhof, in welchem sich die eingangs beschriebene Szenerie abspielte. Es war schon sehr merkwürdig wieder von meinen Landsleuten umzingelt zu sein. Von Männern mit Sandaletten und schwarzen Socken an den Füßen, von Frauen, deren Blumenmotiv Rock auch aus einer Gardine herausgeschnitten sein könnte. Überall Menschen, die eher missmutig in Tag drein schauen und wohl gerade aus ihrem Keller kommen. Zum Glück sind ja nicht alle so.

In Frankfurt wurde ich mittags von Julian abgeholt. Julian ist ein Fan der Frankfurter Eintracht und als ich ihn in Neuseeland auf meiner Reisezeit kennen gelernt habe, war natürlich klar was Gesprächsthema Nummer eins unserer Unterhaltungen war. Jedenfalls konnte ich bei Julian übernachten und er hat mich noch ein bisschen durch Frankfurt geführt. Dabei konnte ich feststellen, dass Frankfurt gar nicht mal so hässlich ist. Nicht so hässlich zumindest wie die Person auf dem folgenden Bild:

Vom höchsten Punkt der Welt.

Am nächsten Tag sind Julian und ich noch in die Kunstausstellung von Ernst Ludwig Kirchner im Städel- Museum, kann ich nur empfehlen, und anschließend fuhr er mich noch nach Neu- Anspach, einem kleinem Örtchen, in welchem ich die folgenden fünf Tage verbringen sollte. Als letzte Hürde meines freiwilligen sozialen Jahres im Ausland galt es unser Abschlussseminar zu überspringen. Meine Vorfreude hielt sich darauf anfangs stark in Grenzen, es war aber dann doch recht gut sich mit anderen Freiwilligen, die ja teilweise in Indien, Taiwan oder Uganda waren, auszutauschen und meine sehr intensive Erkältung etwas auszukurieren. Fürs Leben weitergebracht haben mich die vierundsechzig Skatspiele die ich mit meinen „alten“ Mt. Tabor- Kollegen gespielt habe und die Information, dass Paul der Oktopus in Indien als ein Heiliger angesehen wird. Die fünf Tage gingen relativ zügig um und vergangenen Donnerstag stand die Fahrt ins einmalige Eberswalde an. Dort wurde ich abends von meiner Familie erfreulicherweise in Empfang genommen und war froh, dass niemand den Satz „Na nun erzähl doch mal.“ von sich gegeben hat.

Am nächsten Tag musste ich feststellen, dass sich nicht wirklich viel in meiner Heimatstadt geändert hat. Es herrscht immer noch die gleiche Tristesse vor, bei Kaufland gibt es immer noch kein Guinness und die Ampelschaltphasen sind ebenfalls die gleichen und unsinnig. Auch von der deutschen Bürokratie wurde ich schon willkommen geheißen, wer hätte gedacht, dass es so schwierig ist sich arbeitslos zu melden? Der Weg zum Arbeitsamt und zurück, eine Fahrt von circa einundzwanzig Minuten, gestaltete sich zu einer meiner größten Herausforderungen. Ich habe für diese Strecke das Auto meiner Mutter bekommen. Zum ersten Mal seit einem Jahr bin ich wieder auf der rechten Seite gefahren und es war grauenhaft. Auf dem Weg zum Arbeitsamt und zurück habe ich das Auto viermal abgewürgt. Jedes Mal, wenn ich die Straßenseite gewechselt habe schaute ich mich entsetzt um, ob ich überhaupt auf der richtigen Seite bin. Die unzähligen Male bei denen ich den Scheibenwischer anstatt des Blinkers bedient habe oder beim Wechseln des Ganges auf einmal mit der linken Hand in der Tür war brauche ich an dieser Stelle gar nicht ausführlich zu beschreiben. Ich war einfach so erleichtert das Auto wieder unbeschädigt auf unserem Parkplatz abgestellt zu haben.

So kommen wir dann mal langsam zum Ende. „Lebbe“ geht ja nun bekanntlich „weida“ und so befinde ich mich derzeit auf dem Weg nach Baden- Württemberg, wo ich mich drei mögliche Uni- Orte anschauen möchte. Es hat mir unglaublich viel Spaß gemacht diesen Blog zu schreiben. Es tut mir leid, wenn ich euch manchmal mit Superlativen nur so überhäuft habe, wenn ein Eintrag mal kein Ende nehmen konnte oder wenn ihr von meinen Rechtschreibfehlern einfach nur brechen musstet. Nichtsdestotrotz geht mein erster Dank an euch, die Leser. Vielen Dank, dass ihr euch ab und zu mal auf diese Seite verirrt habt und das ein oder andere Mal wieder raufgefunden habt, Danke.

Mein zweiter Dank geht an meine Spender, die mit ihrer finanziellen Unterstützung dieses Jahr erst möglich gemacht haben, Danke.

Ein Dank geht ebenfalls an meine Mutter, die hervorragend auf mein „deutsches“ Leben aufgepasst hat, Danke.

Weiterhin möchte ich mich bei Jenna, Malte and Kosha für dieses tolle zweite Halbjahr bedanken, Danke.

Einen ganz besonderen Dank sende ich an Bob and Eric, ohne die beiden wäre Neuseeland nur halb so toll gewesen, Thank you.

Zum Schluss noch ein Danke an all die, die mich dann doch nicht vergessen haben und mir letzten Freitag ein so schönes Willkommen bereitet haben, Danke.

Ich schalte nun endgültig den Lichtschalter aus und rufe aus dem Dunkel ein letztes Mal:

Macht‘s gut!

Bis demnächst!!

Und nicht vergessen: Grüßt die Kiwis!!!

Euer Michi

Dienstag, 13. Juli 2010

Ich packe meinen Koffer und nehme mit …

… mein rechtes Bein, meinen linken Arm, einen Fallschirmsprung inklusive Landung, eine Wäscheklammer, ein vollkommen legal ergattertes „Guinness“- Glass, zwei Kontaktlinsen, möglicherweise fünfzehntausend Kilometer Vanfahrerfahrung, ein Buch mit dem Namen „A short history of New Zealand“, keinen Kiwi, sechsundzwanzig mit der neuseeländischen Zeichensprache zu zeichnende Buchstaben, zwei neuseeländische Flaggen, mindestens zehn Kilo Gepäck weniger, keines meiner beiden Kandinsky- Poster, fünftausendunddreihundertundneunzehn Bilder,… Oh, einen wunderschönen guten Abend, da habt ihr mich aber gerade mitten beim Packen erwischt. Aber ich mach jetzt mal eine Pause, hole mir ein Glass Wasser aus der Küche und setzte mich zu euch an den Computer. So, da simma wieder, mein Koffer ist jetzt schon fast komplett gefüllt und kommt gleich zum wiegen, dass wird wahrscheinlich eines der spannendsten Erlebnisse meines Jahres. Knackt er die dreiundzwanzig? Wenn ja um wie viel Kilogramm? Aber diese atemberaubenden Fragen werde ich wohl eher beim nächsten Mal beantworten. Vielmehr will ich euch in den nächsten Minuten von meinen zwei letzten Wochen am anderen Ende der Welt berichten, Wehmut? Eindeutig.

Mein letztes Lebenszeichen gab ich ja wieder von diesem Platz aus, aber die Handlung endete mit dem letzten Spiel der deutschen Nationalmannschaft. Irgendwie muss ich ja auch wieder zurückgekommen sein und überraschenderweise geschah dies auch. Der diesmal dreiundzwanzigstündige Flug soll hier eigentlich keine besondere Erwähnung finden, aber ein Erlebnis dröhnt mir schon seit Wochen im Gehirn und will da unbedingt raus. Also bekommst du deine wohlverdiente Freiheit, Erlebnis. Meine Flugzeit geriet in direkten Konflikt mit den Anstoßzeiten der WM- Spiele eines Donnerstages, dem Tag an dem Neuseeland Paraguay spielte. Ich habe für gefühlte drei Stunden das Entertainment- Programm der Fluggesellschaft durchforstet, nichts von Live- Berichterstattung oder sogar Nennung von Ergebnissen. Ich hätte das Ergebnis vielleicht über hongkongnesisches Radio erfahren können, aber meine Mandarin- Kenntnisse sind leider noch nicht ganz ausgereift. So blieb mir nur geduldig das Ende des Fluges abzuwarten und dann am Hongkonger Flughafen direkt in ein Internet- Café zu gehen. Daraus wurde jedoch überhaupt nichts. An Schlaf war in keinster Weise zu denken und ich bewegte mich die ganze Zeit unruhig auf meinem Sitz. Dann nach ungefähr drei Stunden und vierundzwanzig Minuten war meine Geduld gebrochen und ich sprach eine Stewardess an. Meine Frage, ob der Kapitän nicht die Ergebnisse der Fußballweltmeisterschaft übers Mikrofon bekannt geben könnte, hat sie anfangs sehr skeptisch beäugt, da sie mich aber doch nicht enttäuschen wollte, meinte sie, sie könne sich mal drum kümmern und kommt vielleicht später noch einmal vorbei. Da war ich erst einmal etwas gelöster. Nun ging das bange Warten los; schafft es meine zweite Heimat in die zweite Runde? Nach zwei Stunden Wartezeit und drei gefühlten Toilettengängen immer noch nichts von ihr zu sehen. Ich kann doch hier nicht der einzige sein, der sich für dieses verdammte Spiel interessiert. Und dann kam sie. Ich sah sie schon von weitem. Mit ihrem knielangen schwarzen Rock, farblich passender Strumpfhose und Schuhe, stolzierte sie den Gang entlang. Als Oberteil trug sie einen guten alten Angela- Merkel- Gedächtnis- Blazer, farblich zu dem Rock stimmig. Ihre Haare machten auf Ohrläppchenhöhe eine sehr dynamische Welle, sie besaß schon lange kein asiatisches Porzellangesicht mehr, wie ihre abgemagerten Kolleginnen, dafür eine dickumrandete Brille, die ein Alter um siebenundreißig vermuten ließ. Mit jedem ihrer Schritte stieg die Anspannung und im Endeffekt sind es ihre rot gefärbten Fingernägel, die ein Stück Papier mit nur fünf Wörtern und vier Zahl beschriftet, festhielten. Ohne jede Regung im Gesicht gab sie mir das Stück Papier. Beim Lesen von „Paraguay 0“ spürte ich für den Bruchteil einer Sekunde das Adrenalin in meinen Adern Tango tanzen. Meine Augen bewegten sich Millimeter nach rechts und hätte es wohl eher die Todesfuge aufsagen wollen; „New Zealand 0“. Für weitere Wallungen sorgte dann das andere Ergebnis; „Slovakia 3 Italy 2“. Das war es dann, Aus in der Vorrunde. Aber die Enttäuschung sog sich fast umgehend aus meinem Körper. Ich wäre am liebsten auf gestanden, hätte geklatscht und „You `ll never walk alone“ gesungen. Leider hätte wohl keiner mitgemacht, noch nicht mal die Stewardess.

Zu Hause angekommen konnte ich selbstverständlich ohne World Cup nicht weiter leben. Einen Tag später stand gleich der Klassiker Deutschland gegen England an. Der besaß dadurch noch Brisanz, da meine beste Neuseeland- Freundin eine Engländerin ist und wir eigentlich erst im Finale aufeinander treffen wollten. Das Spiel wurde mit Jenna und den zwei anderen deutschen Freiwilligen in einer Aucklander Bar um zwei Uhr morgens verfolgt, Fußball schauen in Neuseeland kann ganz schön schlaftötend sein. Es war nichtsdestotrotz ein einmaliges Erlebnis und es waren sogar ziemlich viele Deutsche in der Bar. Am Ende haben es alle Beteiligten überlebt und konnten ohne jegliche Kratzer im Gesicht die Bar verlassen. Eine Woche später waren wir zur gleichen Uhrzeit, am gleichen Ort. Nach dem Argentinien- Spiel lief Nenas „Neunundneunzig Luftballons“, mehr braucht man dazu nicht mehr sagen, die Kiwis waren von den Deutschen begeistert und tippten uns alle nun als Weltmeister. Da lagen ja nicht nur sie falsch. Der Donnerstagmorgen begann mit einer zu erwartenden Enttäuschung, denn Paul wusste es ja. Dieser verdammte Oktopus macht übrigens auch hier Schlagzeilen. Der erste Kommentar des Moderators nach dem WM- Finale heute Morgen: „Spain is World Champion and Paul the octopus has been right once again.” Wortlos. Wer ist nebenbei erwähnt die einzig ungeschlagene Mannschaft des WM- Turniers? Genau, richtig, Neuseeland. Dieser Fakt wurde heute selbstverständlich in jeder Nachrichtensendung dreiundzwanzig Mal wiederholt, good on ya mates.

So, genug mit Fußball. Langsam wurde es auch einfach Zeit, dass die WM ein Ende hat. Was haben wir noch? Rugby. Och, nicht schon wieder Sport. Doch, da müssen wir jetzt durch und dann wird es etwas trauriger, ich mach es kurz. Am Samstag habe ich mir wohl meinen letzten Neuseelandtraum erfüllt. Ich bin mit den anderen drei Freiwilligen, einen Behinderten und dessen Vater zum Rugby- Spiel Neuseeland gegen Südafrika. Besser kann es im Rugby eigentlich nicht gehen, Südafrika ist aktueller Weltmeister und Neuseeland richtet die WM nächstes Jahr im eigenen Land aus und der ein oder andere würde wohl auf dieses Finale tippen. Somit war dieses Spiel der abschließende Höhepunkt eines fantastischen Jahres, die Spitze des Eisberges, die Rosine im Apfelstrudel, die Nadel im Heuhaufen oder einfach the icing on the cake. Keine Angst, ich werde euch jetzt nicht mit einer Erläuterung dieses Sports vom möglicherweise nötigen Toilettengang aufhalten, da ich das Spiel selber noch nicht einmal verstanden hat. Während ich euch Cricket halbwegs in ein paar Sätzen erläutern konnte, würde ich für Rugby fünf Tage benötigen und dann verpass ich wohlmöglich meinen Flieger. Ich bin nicht zum Rugby- Fan geworden, es ist einfach zu viel Gerangel, Geschubse und Gegrunze. Trotz alledem, Neuseeland won mit zweiundreißig zu zwölf und das war schon in der Deutlichkeit etwas überraschend. Bild:

All Blacks vs. Springbocks

Zu viele Abschiede

Das blöde an einem Jahr ist, dass es doch tatsächlich irgendwann rum ist und so befinde ich mich nun in den letzten Atemzügen meines Freiwilligen sozialen Jahres in Neuseeland. Viel schlimmer als das Vorrübergehen von dreihundertfünfundsechzig Tagen in einem Land ist, dass man in diesem Land Menschen kennen gelernt, die man doch nicht so einfach gehen lassen kann und das fällt besonders schwer. Ihr habt es erfasst, es herrscht die Zeit des Abschied Nehmens und dann fangen wir doch mal an.

Na wer war als erster dran? Richtig, mein Bongo. Vor mittlerweile auch schon wieder zwei Wochen sagte mein treues Fortbewegungsmittel auf vier Rädern „Good bye“ zu mir. Schon vor meinem Betriebsausflug nach Südafrika versuchte ich meinen Van auf dem neuseeländischen ebay zu verkaufen. Leider hielt sich der Erfolg in Grenzen und so war ich doch schon ein bisschen besorgt. Am neunundzwanzigsten Juni zweitausendundzehn kamen jedoch ein Ehepaar und die Mutter des Mannes für einen Besuch vorbei. Erst sah sich der Man den Wagen kurz an und meinte er würde gerne einmal damit fahren, dann sind wir mit seiner Mutter um den Blog und plötzlich meinte die Mutter wie viel ich denn für den Van haben möchte. Wir haben uns dann bei 1.800 NZ$ geeinigt. Ohne ihren Sohn zu fragen hat sie diesen Deal dann handfest gemacht und mir gleich das Geld in die Hand gedrückt. Da war ich natürlich etwas baff, weil ich nun so plötzlich Abschied von meinem Bongo nehmen musste. Es gab keine Abschiedsrede, keine letzte Fahrt und auch keine Träne. Dafür aber ein Foto:

Thank you for everything, Bongo.

Heute wurde dann ein weiteres Mal Abschied genommen. Extra für uns Freiwillige hat Mount Tabor eine Farewell- Party organisiert, das hatte es wohl vorher auch nicht gegeben. Leider war es eine typische Mt. Tabor- Veranstaltung. Als ein paar Leute etwas sagen wollten, waren alle schon dabei sich gegenseitig aufzuessen sosehr wollten sie zum Lunch- Büfett. Wir haben Mt Tabor auch ein kleines Abschiedsgeschenk gemacht, zu sehen gibt es dieses als letztes Bild dann.

Auch wenn es diese Veranstaltung mit fast allen Behinderten und Betreuern heute Mittag gab, ein Abschied den ich eigentlich lieber vermeiden wollte bzw. will ist ohne Zweifel der von meinem Haus. No5 war in diesem Jahr mehr als nur ein Ort an dem ich meinen Zivildienst verbracht habe, es war mein zu Hause und die Mitbewohner waren meine Familie. Wohl in keinem anderen Projekt ist die Beziehung zu den Menschen so eng, wie bei Mount Tabor. So gab es heute mein letztes Abendmahl. Es war nicht schön, natürlich nicht. Ich habe noch immer diesen salzigen Geschmack auf meiner Lippe, wer hätte das vor einem Jahr gedacht. Zum Abschied habe ich meiner Familie einen Hefter mit ganz vielen Bildern geschenkt, ich glaubte sogar bei meinen beiden Zwillingen eine Träne oder zwei erkannt zu haben. Aber Morgen früh gibt es nun den finalen Abschied und da wollen wir jetzt mal damit aufhören.

Was bleibt nach einem Jahr Arbeit mit geistig behinderten Menschen? Dass diese Art von Arbeit nichts für meine Zukunft ist, zumindest nicht als Vollberufler. Die Arbeit mag zwar körperlich nicht allzu anstrengend gewesen sein, mental war sie es allemal und das müsste man mir wahrscheinlich auch an mir merken dürfen wenn ich wieder zurück bin. Na, freut ihr euch noch mich Wiederzusehen? Schreibt am besten alle unnatürlichen Verhaltensauffälligkeiten, die ihr an mir feststellen könnt auf, da bin ich schon mal gespannt. Nichtsdestotrotz hat mir die Arbeit unglaublich viel Spaß gemacht, es war ohne weiteres das beste Jahr meines Lebens. Aber von euch möchte ich mich jetzt noch nicht verabschieden, kommt noch.

Morgen geht es also erst einmal auf ein Camp und am Freitag, ja am Freitag kehre ich in das Dampfbad Deutschland zurück, also zumindest geht da mein Flieger. In Deutschland angekommen habe ich dann ein weiteres spannendes Seminar, bevor ich nächsten Donnerstag endgültig wieder eberswalderanischen Boden betrete. Vorfreude? Anspannung? Lust auf Sommer? Um niemanden zu verletzten lasse ich diese Fragen mal unbeantwortet und stelle sie mir selber noch einmal, wenn ich im Flieger sitze. Damit verabschiede ich mich nun aus Helensville. Ein Blog steht noch in den Sternen, schaun ma mal was dabei noch raus kommt.

Hoffentlich bringe ich etwas Regen mit!

Euch allen eine abgekühlte und nüchterne Restwoche!!

Grüßt die Kiwis!!!

Zum letzten Mal aus dem Zimmer über der Garage:

Euer Michi