Montag, 15. März 2010

Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß.

Der Sommer lädt zu seiner Abschiedsvorstellung. Mit letzter Kraft schafft es die Sonne die immer mehr werdenden Wolken etwas zu verdrängen, die es ihrerseits vollbringen, den üblichen neuseeländischen Schauer von Tag zu Tag auf Minute zu Minute zu verlängern und so das Trocknen der Wäsche deutlich erschweren. Wie im letzten Eintrag schon erwähnt besitzen die sonst im satten Grün nur so triefenden kleinen Hügel in und um Helensville schon längst nicht mehr die Farbe der Hoffnung. Das gleiche Schicksal ereilt den importierten oder einheimischen Bäumen, bzw. deren Blätter, nun ebenfalls. Auf Grund dieser Farb- und daraus resultierenden Form- und Gewichtsänderung, werden sie von der Mutter aller Kräfte magisch angezogen und bevölkern nun fleißig unsere, im Hintergarten leicht anhebende, Grasfläche. Der Verfasser bot sich schon mehrmals an die schon lange nicht mehr ausgeübte Disziplin des Laubharkens auszuführen. Aber seine Hilfe wurde knallhart abgewiesen; was muss das für ein Mensch sein, der auf die unschätzbaren Kräfte des Michael G. verzichten kann? Es ist Agnes Ward. Und so steht, sitzt, oder liegt meine gute, alte Zimmernachbarin Tag für Tag im Garten und hebt die Blätter auf. Aufheben? Ja, aufheben. Zwar haben wir drei verschiedene Harken in der Garage, aber Agnes bevorzugt halt die Handarbeit und so kommt sie zu nichts anderem mehr, außer dem Aufheben von Blättern. Bitter an der ganzen Sache ist, wenn sie zum Mittag eine Pause einlegt, ist die ganze Grasfläche schon wieder überflutet und nach dem Abendbrot gibt es die gleiche Geschichte. Nun gut, das nur mal so zum Einstieg.

Ansonsten lässt sich der anbahnende Herbst auch an meinem Gemüts- bzw. Gesundheitszustand erkennen. Beim letzten Mal hatte ich euch ja berichtet, dass uns der amerikanische Betreuer verlassen hat, worüber wir alle ganz froh waren, viel mehr Arbeit hatte ich eigentlich nicht erwartet, da er nie wirklich was gemacht hat. Ich dachte auch, dass man jemand anderes findet der mit mir die Bäder putzt, Essen kocht und Wäsche wäscht, da habe ich aber wohl falsch gedacht. So kam es, dass ich die letzten drei Wochenenden nahezu auf mich allein gestellt war, bzw. bekam ich vorletztes Wochenende abends Hilfe von einer Betreuerin, deren Alkoholfahne alle der einhundert Hertha- Randalierer im Nu in einen langen Schlaf versetzt hätte. Ein Anruf bei meiner Chefin genügte um sie aus dem Haus zu entfernen. Vor einer Woche dann noch das; Robbie, einer „meiner“ Behinderten, schlägt meine House Leaderin mitten auf die Nase, da sie im Moment sowieso schon an so was wie Burn- Out leidet wurde sie erst einmal für eine Woche freigestellt wurde. Damit bin ich quasi der einzige Betreuer, der in unserem Haus wohnt und schaffe meine eigentlich vorgesehenen achtunddreißig Stunden die Woche locker in drei Tagen, die Anzahl, Tiefe und Breite meiner Augenringe vergrößert sich im Moment täglich, toll. Um mich mal wieder auf etwas andere Gedanken zu bringen bin ich letzte Woche an meinem freien Tag endlich wieder ins Fitnessstudio, wo ich vorgeführt bekam, wie wenig ich für meinen Körper die letzten Monate doch getan habe, ich hätte Weinen können. Einer der staff member meinte ich werde die nächsten Tage einen „bloody sore“ spüren, so richtig Glauben wollte ich ihm aber nicht schenken. Der Tag danach ging noch, der Tag danach auch noch, aber der Morgen am Tag danach am Tag danach, war grausam. Meine gesamte Schulter war quasi wie gelähmt. Ich fühlte mich wie John McCain, meine Arme konnte ich nur noch auf Schulterhöhe bewegen, ich lief den ganzen Tag gebeugt, nur dieses fiese Lachen bekam ich nicht ihn. Jedenfalls erzeugten diese Stunden als Krüppel ein wenig Respekt vor dem dreiundsiebzigjährigen aus Arizona, der lebt ja schon ungefähr vierzig Jahre so. Der Schmerz in der Schulter war Sonntagmorgen nahezu verschwunden, als sich mein linkes Knie zu Wort meldete. Ein Blick auf dieses versetzte mich ein wenig in Schrecken. Ein dem Kilimandscharo gleichender Hügel erhob sich von diesem, aber nicht nur das, im Süden des Hügels erstreckte sich ein ovalförmiges Oval mit einem nicht gemessenen Durchmesser von 6,39 Zentimeter und einem etwas blassem Rotton. Auf diesem Fleck hätte man ohne weiteres ein Spiegelei braten können, der Temperaturunterschied zum anderen Knie war frappierend. Ehrlich gesagt hat mich das aber nicht weiter interessiert, konnt zwar nicht richtig laufen, aber wird schon wieder. Als meine House Leaderin heute zu einem Besuch vorbeikam, reichte ein Blick und sie nahm mich zum Doktor. Der meinte, dass es sich aller Voraussicht nach um eine nicht zu definierende Entzündung handelt. Ohne zu fragen pumpte sie mir auch gleich irgendein Antibiotikum in die Vene, schaun ma mal wie es weitergeht, bin jetzt für zwei Tage erst mal frei geschrieben. Als ich wieder nach Hause ankam, fragte mich Agnes gleich ganz besorgt: „Michael, are you having cancer?“ Fast. Aber Schluss mit diesem selbstmitleidigen, uninteressanten und weinerischen Berichten. Dann solla doch zu Kerner gehen! Genau, der gute Johannes B. ist aber derzeit nicht in Neuseeland und wird hier so schnell auch nicht erscheinen, ausheulen kann ich mich auch später, aber jetzt erst mal zurück zu den wirklich wichtigen Dingen.

Ich bin euch noch ein paar Zeilen über meine vier freien Tage, vor mittlerweile auch schon unfassbaren drei Wochen, schuldig. Da ich ja seit Anfang Februar eine vorher nicht gekannte Mobilität genieße, hatten wir, das sind zwei andere deutsche Freiwillige und Michael Graupner, uns entschlossen die Tage auf der im Aucklander Hafen vorgelagerten Insel namens Waiheke Island zu verbringen. Mit dem Van, unter, neben und über uns, brauchten wir uns ja auch nicht mehr um Unterkünfte zu kümmern. Waiheke Island ist eine vom Festland ziemlich unabhängige Insel, es leben auf ihr circa achttausendvierhundertdreiundzwanzig Einwohner, man hat alles was man braucht, Supermarkt, Tankstellen, Kino und eine Guinnessbar. Aber irgendwie hat uns das alles nicht so vom Hocker gerissen, wenn man so ziemlich alles auf der Südinsel gesehen hat, konnten wir uns für unzählige Weinberge, ein paar mittelmäßige und nicht besuchte Kunstaustellungen und die vertrocknete Landschaften nicht wirklich begeistern. Unsere Hauptaufgabe bestand eigentlich aus dem Nichtstun. Wir habe fast den ganzen Tag am Strand gelegen, wenn wir einen Bewegungszwang verspürten sind wir ins Wasser, um dann aber auch gleich wieder aufs Handtuch rauf und weiter zu schlafen, es war grandios. Unseren Van haben wir dann nachts Mitten in der Pampas geparkt und dort unsere Zelte aufgeschlagen. Mit drei Menschen in diesem Gefährt war es verdammt eng, aber wir haben überlebt. Die Folgenden Bilder dienen zur Veranschaulichung.

Der Verfasser schlafend.

Beim Schlafplatz aufbauen.

Das Braune Waiheke.

Was gibt’s noch zu berichten? Etwas über meine neue Lieblingssportart? Ah, ne dafür benötige ich ein kälteres Knie und ein bisschen mehr Lust. Da schreib ich nur kurz von einem Ausflug mit den Behinderten am Samstagnachmittag. Es ging zur größten Agrarschau in der südlichen Hemisphäre (dieses Attribut hängen die aber bei jeder etwas größeren Veranstaltung ran), der Kumeu Show. Eigentlich war die ganze Sache nichts Besonderes. Ich hatte Gott sei Dank noch Hilfe von einer Betreuerin für diesen Ausflug bekommen, ansonsten wäre ich gestorben. Ich bin mit den Zwillingen umhergelaufen. Zuerst hatte sich Ron, zur Erinnerung er ist taub, eine Gitarre gekauft und mir diese überglücklich präsentiert, er hat von diesem Musikinstrument ungefähr zehn in seinem Raum. Unser Weg führte uns zu einem Stand, wo sich kleine Kinder ihre Körperteile mit kleinen Bildchen bemalen lassen können und dann sagen sie haben ein Tattoo. Ron war von diesem Stand hin und weg und wollte unbedingt eines dieser Bildchen, na gut, ist ja dein Geld. Aus einem wurde dann aber zwei und so läuft mein achtundsiebziger Großvater jetzt mit zwei Herzmotiven auf dem Oberarm (kann natürlich keiner sehen) durch die Welt.

Hier ein Bild von DJ Lewis.

Sei Bruder wurde daraufhin etwas neidisch und wollte auch unbedingt eines. Anfangs wollte er sich das Eiserne Kreuz auf den Arm malen lassen, aber ein guter Geist konnte ihm das Ausreden. Er entschied sich dann für das gleiche Motiv wie sein Bruder nur in anderer Farbe.

Diesmal Orange.

Na dann ihr Freunde des Bloglesens, werde ich mal langsam den Ausgang finden. Ach so, alle sich auf meinem Fuß befindlichen Fäkalien sind aber noch nicht ganz erzählt. Der im letzten Halbjahr so öde Donnerstag entwickelt sich derzeit zu einem der langen Nächte, wir vier Freiwillige und zwei andere Betreuerinnen leben am vierten Tag der Wochen ein wenig das Aucklander Nachtleben. Auf Grund der Anzahl an Personen ist mein Van das ideale Transportmittel, selten sind wir vor um fünf wieder zurück. Geschlafen wird dann immer im Haus eines Freiwilligen. Wie dem auch sei, letzten Freitag wurde ich um vierzehn Uhr geweckt: „Michael, your van got a flat tyre.“ Nach dem ich das Ganze zuerst für einen Scherz hielt stellte ich eine Stunde später fest, dass der Reifen mehr als nur einen Platten hatte. Naja passt ja im Moment richtig gut. Da ich aber von einem Reifenwechsel genauso viel Ahnung habe, wie Dirk Niebel von Entwicklungspolitik, war ich anfangs ziemlich ratlos. Gott sei Dank kannten sich meine beiden Waiheke- Kumpanen etwas mehr aus und so packten wir es dann an. Es brauchte circa einhundertdreiundfünfzig Minuten bis wir das Ersatzrad an Ort und Stelle befestigten, muss man ja auch mal durch.

Übrigens habe ich ein paar meiner, in zu großer Anzahl geschossenen, Fotos meines Reisemonats online gestellt. Leider besaß ich noch keinerlei Motivation diese ausreichend zu beschriften, folgt aber. Könnt ja mal unter dem Ordner Reisemonat in meiner Fotogalerie nachschauen.

So jetzt dürfte mein Fuß von allem Unangenehmen befreit sein. Als Abschiedsbild gibt es heute eine Nachtaufnahme der Sykline von Auckland.

Euch eine beinfreie Woche!

Es ist ja auch schon wieder Mitte März!!

Grüßt die Kiwis!!!

Euer Andi Brehme


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